[Talk-at] Neighbourhoods in Wien

Stefan Nagy stefan.nagy at posteo.net
Mon Jan 22 22:41:21 UTC 2018


Am 22.01.2018 20:07 schrieb Friedrich Volkmann:
> On 21.01.2018 18:44, Stefan Nagy wrote:
>> ich wollte mal fragen, ob es in der Vergangenheit in der Wiener Gruppe 
>> irgendeinen Beschluss oder eine Diskussion darüber gab, die Namen 
>> ehemaliger Ortschaften/Vorstädte/Siedlungen innerhalb Wiens als 
>> neighbourhoods (also place=neighbourhood) einzutragen.
> 
> Stadtteile als place=suburb bzw. neighbourhood zu taggen ist weltweiter 
> Standard, siehe Wiki. In Talk-AT steht es uns nicht zu, grob 
> Abweichendes zu beschließen. Ich hab aber hier auf Talk-AT im Juni 2015 
> einen Thread "Wiener Katastralgemeinden" gestartet um das Chaos aus 
> eingemeindeten Siedlungen einerseits und Katastralgemeinden 
> andererseits aufzulösen. Die waren mehr oder weniger alle als 
> place=suburb gemappt, was aber für manche Katastralgemeinden nicht 
> passte, denn z.B. Inzersdorf-Stadt, wo ich wohne, war nie eine 
> eigenständige Siedlung. Ich hab dann die Katastralgemeinden als 
> boundary-Relationen gemappt (zu den Tags gibt es unterschiedliche 
> Meinungen, aber das Mapping als Relationen kann man als Konsens 
> ansehen) und die eingemeindeten Siedlungen als place-Nodes: suburb für 
> ehemalige Dörfer, neighbourhood für ehemalige kleinere Siedlungen 
> (Rotten alias Weiler). Die setzte ich nach Möglichkeit auf die 
> ehemaligen Siedlungskerne. In manchen Fällen war das nicht so einfach, 
> z.B. Weißgerber war ursprünglich ein Straßendorf an der 
> Weißgerberstraße, mit dem Bau der Othmarkirche und der Bahn verlagerte 
> sich aber das Zentrum. Zudem schrieb mich jemand an, ich möge 
> Weißgerber als Fläche gemappt lassen, weil es eine klar definierte 
> Grenze gebe. Meines Wissens war die Grenze aber nur am Papier 
> definiert, denn der größe Teil der Fläche war noch Grünland.

Meiner Ansicht nach sind frühere, irgendwann eingemeindete Siedlungen an 
sich für OSM (also die Hauptdatenbank) nicht von Interesse – wenn, dann 
als historic… Aber soweit ich das im Wiki nachvollziehen kann ist das 
nicht unbedingt erwünscht. Relevant wären solche früheren Siedlungen für 
OSM dann, wenn der damalige Name für heutige Stadtteile verwendet wird.

Nikolsdorf und Hungelbrunn waren einmal. Willkürlich herausgefriffenes 
Gegenbeispiel (glaub ich zumindest): Inzersdorf. Ohne es zu wissen 
vermute ich, dass Leute zu dem Namen wirklich einen Bezug haben. Damit 
wäre es ein Stadtteil – im Gegensatz zu den zuerst genannten.

Ich persönlich fände es toll, wenn wir ehemalige Vororte u. Ä. mit dem 
historic-Key (und dem wikipedia-Tag und wikidata-Tag) einzeichenen 
könnten, damit zum Beispiel Leute auf der Wikipedia sich die 
geographische Ausdehnung der damaligen Vororte ansehen können. Aber wie 
gesagt, ich glaube sowas ist in der Hauptdatenbank leider nicht 
erwünscht…

Kastralgemeinden sind etwas Gegenwärtiges und damit gibt es jedenfalls 
kein Argument sie nicht einzutragen. Aber wenn das dann so ausgewertet 
wird, dass ich im Bezirk Margareten in der KG Margarethen (und ganz 
abseits davon wie erwähnt in Nikolsdorf) wohne, dann stimmt da was 
definitiv nicht… Vielleicht wäre zumindest admin_level=11 statt 10 
angemessener? Aus dem Wiki: "admin_level=11 kann bei Bedarf für eine 
weitere administrative, meist nur statistische oder historische 
Einteilung hinzugefügt werden".

> Es gibt auch einige place=neighbourhood für Grätzel, deren Namen bzw. 
> Identitäten erst später erfunden wurden (z.B. Triesterviertel, 
> Bermudadreieck). Die haben nichts mit den eingemeindeten Rotten zu tun, 
> aber eine Gemeinsamkeit ist, dass beide Arten von place=neighbourhood 
> von der Baustruktur her keine Abstammung von einer separaten Siedlung 
> erkennen lassen.

Ja, aus meiner Sicht sind das eher klassische Stadtviertel. Als 
Historiker komm ich mir schon blöd vor wenn ich das sage… Aber die 
Geschichte spielt nunmal nur dort eine gegenwärtige Rolle, wo sie zur 
Konstruktion von Gegenwartsidentitäten herausgekramt und je nach 
aktueller Bedüfnislage zurechtgestutzt wird. Wenn eine Gruppe von 
Bewohnern in den nächsten Jahren permanent Straßenfeste in der 
Nikolsdorfer Gasse organisiert, es vielleicht einen Verein dazu gibt und 
auf diese Weise (oder anders, etwas hässlicher: über reine 
Marketing-Kampagenen irgendwelcher Stadtentwicklungs-GmbHs) eine 
gemeinsame Identität durch Rückgriff auf irgendwelche Gschichtln 
konstruiert wird – dann ist Nikolsdorf in 10-20 Jahren vielleicht ein 
Stadtviertel. Im klassischen Fall konstruiert man dann noch eine 
historische Kontinuität; tut einfach so, als ob Nikolsdorf nie tot 
gewesen wäre. Aber bis dahin ist es nur Geschichte.

>> Ich weiß zum Beispiel, dass ganz in der Nähe meiner Straße früher 
>> Nikolsdorf war. Aber ich wohne da doch zumindest mehr als zehn Jahre 
>> und habe es noch nie mitbekommen, dass Leute diesen Stadtteil heute 
>> Nikolsdorf nennen würden…
> 
> So ähnlich geht es mir mit der Katastralgemeinde Inzersdorf-Stadt. Ich 
> lebte 20 Jahre hier ohne diese Bezeichnung je gehört zu haben. 
> Nikolsdorf ist jedoch als Siedlung belegt, du findest sie in alten 
> Karten, bezeichnenderweise entlang der Nikolsdorfer Gasse. Wie ein 
> Straßendorf, aber meines Wissens war es nie ein richtiges Dorf, denn es 
> gab keine kommunalen Einrichtungen wie Kirche, Schule... Darum weist es 
> heute nicht "a distinct and recognised local name and identity" auf, 
> was das Wiki als Kriterium für place=suburb angibt. Deshalb taggte ich 
> es nur als place=neighbourhood. Vor 1 Monat änderte User "Yktan Eszett" 
> den Node auf suburb. Ich schrieb ihn an und erklärte, warum ich mich 
> für place=neighbourhood entschieden hatte. Danach revertierte er seine 
> Änderung und schrieb mir: »I assumed that every former suburb with its 
> own "Ortsrichter" should be declared as borough/suburb« Leider schrieb 
> er mir nicht, wo er die Info mit dem Ortsrichter her hatte.

Das mit dem Ortsrichter kommt vermutlich aus dem Historischen Lexikon 
Wien von Felix Czeike, _der_ Quelle des Wien-Geschichte-Wikis. Die 
Beiträge dort sind meist einfache Übetragungen aus diesem Werk, siehe 
eben zum Beispiel 
https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Nikolsdorf_(Vorstadt).

Aber da sind wir wieder in einer Vergangenheit, die in letzter Zeit 
nicht für Gegenwartsbedürfnisse freudig ge- und missbraucht wurde. Wie 
gesagt, ich persönlich bin sehr dafür, historische Räume – als solche – 
einzuzeichnen. Dagegen steht im Wiki leider dieser fettgedruckte Satz: 
"Historic objects with no relevance to current state of an object 
generally do not belong into the main database" (siehe 
https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Lifecycle_prefix)… Das wäre dann 
also nach derzeitigem Stand eher etwas für das Projekt Open Historical 
Map (siehe https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Open_Historical_Map), 
wenn ich das richtig verstehe.

>> Nachdem das neighbourhood als Knoten eingetragen ist, wird auch jede 
>> Adresse in meiner Straße diesem zugerechnet; mein Haus liegt also 
>> angeblich in Nikolsdorf. Und das ist nicht nur heute falsch – das war 
>> noch nie richtig.
> 
> Diese Zuordnungen in Suchergebnissen auf openstreetmap.org und auch bei 
> Map Notes sind z.T. völlig falsch, das ist nicht nur bei Nikolsdorf ein 
> Problem. Anscheinend wird in jeder Hierarchieebene der nächste Node für 
> die Lageangabe herangezogen, und so gehört für Nominatim der ganze 
> Anninger zum Richardshof und vielleicht auch der halbe fünfte Bezirk zu 
> Nikolsdorf.

Wäre die Lösung da nicht einfach die, keinen Node zu setzen sondern eine 
Area zu zeichenen? Also ich kann mir gut vorstellen, dass es für 
Nominatim nicht ganz einfach ist, das Handling der Nodes weltweit 
zufriedenstellend umzusetzen…

>> Mir geht es nicht darum, dass ich alle fragwürdigen neighbourhoods in 
>> Wien löschen möchte; dazu kenne ich die anderen Grätzl und die 
>> dortigen Sprachgewohnheiten zu wenig. Aber ich wollte mal zumindest 
>> darauf aufmerksam machen und eben fragen, ob es irgendeinen guten 
>> Grund gibt, dass diese neighbourhoods existieren.
> 
> Dass Nikolsdorf in alten Karten eingezeichnet ist und die Häuserzeilen 
> beidseits der Straße im Prinzip noch unverändert erhalten sind, sollte 
> ein hinreichender Grund sein. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, 
> dass den Anwohnern in der Nikolsdorfer Straße noch nie aufgefallen ist, 
> wie ihre Straße heißt. Wenn es eine Nikolsdorfer Straße gibt, dann muss 
> es logischerweise auch ein Nikolsdorf geben oder zumindest gegeben 
> haben. Natürlich könnte Nikolsdorf auch woanders sein (so wie Südtirol 
> nicht beim Südtiroler Platz ist und Tokio nicht an der Tokiostraße), 
> und womöglich verwechselt der eine oder andere Nikolsdorf mit 
> Nikolsburg. Aber zumindest sollte der Ortsname nicht ganz unbekannt 
> sein.

Also wenn die Häuserzeilen in der Nikolsdorfer Gasse seit der 
Einverleibung 1850 damals in den 4. Bezirk auch nur halbwegs unverändert 
erhalten wären, dann wäre das ein gutes Beispiel für ein völliges 
Versagen des Österreichischen Denkmalamtes… Es gibt kein einziges 
Gebäude vor dieser Zeit unter Denkmalschutz dort (das Hartmannspital 
wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts erbaut). Im Wien-Geschichte-Wiki 
haben sie eine nette Postkarte von 1912 zur Illustration des Artikels zu 
Nikolsdorf verwendet; der Titel: "Der letzte Rest vom alten Nikolsdorf" 
(hier die Quelle: 
https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/2037468). 
Ich geh da immer wieder durch und erkenne nichts wieder…

Es ist für diese Gegend sogar eher ungewöhnlich, dass man (bis auf das 
Hartmannspital) kein einziges Gebäude aus dem 18. oder (wenigstens) dem 
19. auf der Liste der Denkmäler oder zumindest im Architekturlexikon 
findet… Also vom alten Nikolsdorf ist – soweit ich das auf die Schnelle 
nachvollziehen kann – der Straßenzug, der Straßenname und das Wissen 
darüber, dass da früher einmal ein Vorort mit dem Namen existiert hat, 
geblieben.

Ich hoff du verstehst mich nicht falsch. Ich interessiere mich sehr für 
Geschichte. Und mir wäre es durchaus ein Anliegen, dass Leute zum 
Beispiel beim Wikipedia-Artikel zu Nikolsdorf oben die OSM öffnen und 
sich die Ausdehnung des früheren Vorortes auf einer heutigen Karte 
ansehen können. Da würde ich mich nie dagegen wehren. Was mich stört, 
ist, dass die gerenderte OSM einen lange nicht mehr existenten Vorort 
als heutigen Stadtteil ausweist (den Namen groß und breit anzeigt; noch 
größer und breiter ist Hungelbrunn) und dass Leute, die irgendeine 
Adresse oder einen POI in der Nähe in die OSM-Suche eingeben als 
Ergebnis unter anderem den Namen dieses inexistenten Vororts bzw. 
Stadtteils bekommen.

Kurz: Ich wäre dafür, historische Entitäten als solche einzutragen und 
Katastralgemeinden so, dass sie über eine Suche auffindbar sind – aber 
nicht mehr. Beim ersten Teil bin ich mir recht sicher, was die 
Katastralgemeinden betrifft kann es durchaus sein ich mich irre und dass 
ihnen eine größere Bedeutung zukommt, von der ich bisher einfach noch 
nichts mitbekommen habe.

LG,
Stefan.



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