[Talk-de] Von Taggingregeln, Renderern und Routern
Christoph Eckert
ce at christeck.de
So Jan 27 00:13:44 UTC 2008
Hi,
> Ich muss zugeben, anfangs war ich auch nicht sonderlich erfreut über
> diese "schwammigkeit". Nach einiger Zeit bin ich jedoch zur Ansicht
> gekommen, dass es gar nicht anders geht. Die Welt IST schwammig. Ich
> möchte nicht mit Bestimmtheit sagen müssen was für ein Typ die Strasse
> vor meinem Haus hat oder was genau für ein Typ Wald derjenige am Ende
> des Dorfes. Aber ich kann sagen, dass die Strasse vor meinem Haus mehr
> oder weniger grosse Durchgangsstrasse ist und der Wald nicht wirklich
> bewirtschaftet wird. Das reicht völlig aus. Ich bin davon überzeugt,
> dass damit auch Routingprogramme zurecht kommen können, weil 1 + 1 =
> 3, bei genügend grossem 1.
ich sehe es genau so. Wenn später jemand des Wäges kommt und mehr weiß als
ich, kann er entweder mein Tagging korrigieren oder - was ich für
wahrscheinlicher halte - es werden weitere Tags hinzukommen, um das Tagging
zu verfeinern: "Diese Straße wird unterhalten von x", "Diese Straße hat die
Oberflächenbeschaffenheit y" und "Diese Straße hat Bordsteine vom Typ z".
Die Erfahrung zeigt, dass Mapper gerne so taggen, dass es in ihrem bevorzugten
Renderer gut aussieht. Wenn jemand gerne wandert und es sich vorgenommen hat,
alle Wanderwege des Schwarzwaldes zu mappen, dann wird er sich beim Taggen
davon leiten lassen, was sein Lieblingsrenderer in die Karte malt. Wenn ein
Renderer kommt der nur Straßen verwendet die mit Betonplatten belegt sind
werden Mapper, die besonders an mit Beton belegten Straßen interessiert sind
anfangen, die Straßen so zu mappen, wie der Spezialrenderer das am liebsten
mag.
Andersrum muss man beim Schreiben eines Renderers vielleicht erstmal anfangen,
mit den vorhandenen Daten zu arbeiten, bevor man an die noch nicht
existierenden Betonplattenstraßen gehen kann.
Bei uns kann jeder taggen wie er lustig ist - einer der riesen Vorteile
unserer Datenbank. Basisdemokratischer geht es kaum noch. Leute, die in der
Lage sind Software für das Projekt zu schreiben (und da nehme ich mich mit
meinen bescheidenen Kenntnissen komplett aus) sitzen prinzipbedingt in einer
etwas stärkeren Position: Wer Editoren, Renderer und Router schreibt, kann
wesentlich größeren Einfluß auf die Taggingregeln nehmen als das
einem "Nur-Mapper" über Proposals im Wiki oder den Listen möglich ist. Das
basisdemokratische Prinzip bleibt allerdings auch dabei gewahrt, denn die
Mehrheit wird darüber entscheiden, ob sie die neue Software cool findet und
verwendet.
Für mich lauten die Folgerungen für die Kritiker der bisherigen Taggingregeln
daher:
* Wenn ihr bessere Vorschläge habt, dann macht Proposals im Wiki. Wenn diese
gut sind, werden Mapper, Renderer und Router diese übernehmen
* Wenn ihr selbst Software baut, dann schreibt Editoren, Renderer und Router
die anders arbeiten. Mappt ein paar Daten, die auf die neuen Tools abgestimmt
sind, stellt die Tools zur Verfügung und seht dann, ob die Leute es gut
finden und übernehmen
Ehrlich gesagt glaube ich aber kaum, dass es gelingen wird, ein komplett neues
Konzept zu durchdenken das dann auf Anhieb perfekt funktionieren wird. OSM
entwickelt sich jeden Tag fort. Und bedenkt bitte: das Tagging wird sich
zwangsläufig verfeinern. Die Daten, die ihr heute einfordert, wird es aller
Voraussicht sowieso geben. Ihr braucht nur etwas geduldiger zu sein, dann
wird euch das alles in den Schoß fallen.
Einer der richtig *coolen* Aspekte an OSM ist doch gerade der, dass wir mit
unserer Datenbank, unterschiedlichen Renderern und Routern ganz
unterschiedliche "Zielgruppen bedienen" können. Die Leute sind oftmals *genau
deshalb* hier, weil die kommerziellen Anbieter spezielle Zielgruppen nicht
bedienen möchten.
Ich wurde gelegentlich dafür geprügelt, dass ich anfangs alle Wege, die ich
mit dem Rad gefahren war, einfach als cycleway eingetragen habe. Klar,
eigentlich nicht "richtig". Aber: Mir hätte die Kritik eigentlich wurscht
sein können, denn ich wollte zum Ausdruck bringen "Hier kann man am
Wochenende echt cool mit den Rad entlangfahren". Es interessierte mich dabei
nicht sonderlich, dass das statisitische Bundesamt gerne gehabt hätte, dass
ich die korrekte administrative Bedeutung hätte eintragen sollen. Ich wollte
nur erreichen dass andere Radfahrer sehen können "ah, cool, da kann man mit
dem Rad langfahren".
Also: Das Routen nach administrativen Gesichtspunkten ist ein kleiner
Teilaspekt des Projektes. Versucht über die Gestaltung eurer Software
herauszubekommen, wieviele Leute das gleiche Ziel haben. Wenn es genügend
sind, dann werdet ihr erfolgreich sein. Ich aber werde weiterhin so mappen,
wie ich das für richtig halte, und ich werde mich dabei sicher nicht von
einer "Vaporware" leiten lassen.
Ich hoffe, dass uns allen dieses längliche Posting hilft, schneller zum Ziel
zu kommen.
Beste Grüße,
ce
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