[Talk-de] Wie deutsch muss man sein?

Dirk Stöcker openstreetmap at dstoecker.de
Sa Feb 7 19:57:31 UTC 2009


On Sat, 7 Feb 2009, Frederik Ramm wrote:

>    ich beschaeftige mich gerade erstmals seit langem mit der deutschen
> JOSM-Uebersetzung. Die ist ja mittlerweile richtig gut!

Da ich hier die Hauptarbeit mache nehme ich den Dank an :-) Und außerdem 
gebe ich ihn an Claudius Henrichs weiter, der nahezu alle Texte 
korrekturgelesen hat und viele grammatische Probleme korrigierte.

> Allerdings stoeren mich einige Dinge, ich finde, dass eine gute
> Uebersetzung auch wissen muss, wo sie zu uebersetzen aufhoeren sollte.
> Ich finde zum Beispiel, dass man auch einem deutschen Nutzer die Worte
> "Node" und "Way" zumuten sollte. Es sind ohnehin Abstrakta - ein Way ist
> ja nicht wirklich ein "Weg", sondern eben das, was in der OSM-Datenbank
> "Way" heisst, also ein lineares Konstrukt mit mehreren Stuetzpunkten.
> Ich finde, dass man, indem man auch solche Begriffe uebersetzt, unnoetig
> Barrieren aufbaut und es dem Benutzer (noch) schwerer macht, auch mal
> ein anderes, englischsprachiges Programm zu bedienen.

Hier ist Deine Sicht zu sehr auf OSM eingeschränkt. Node und Way sind 
auf deutsch Knoten und Kante. Knoten wird in JOSM eigentlich durchgängig 
verwendet. Kante habe ich zugunsten des kürzeren Wegs aufgegeben (auch 
weil der Normalbediener mit Weg wohl mehr anfangen kann als mit Kante).
Nicht jeder Begriff ist wörtlich übersetzt. Hinter manchen Übersetzungen 
steht ein langes Ringen um gute Worte.

Bei jedem englischen Text muss ich mich fragen, ob auch einer der 70 ist 
und kein Englisch gelernt hat damit klar kommt. Wenn man das immer im 
Hinterkopf behält, sieht man die Welt ein bisschen anders.

Der Wechsel von "Knoten/Weg" zu "Node/Way" ist einfach. Schwerer wird es, 
wenn man etablierte Fachbegriffe übersetzt. Allerdings ist hier immer die 
Frage, was das Ziel sein soll: Die leichte Bedienbarkeit für deutsche 
Nutzer oder der einfache Wechsel. In der Regel überschneiden sich die 
Sprachwelten kaum, auch wenn unsereins, der englisch und deutsch 
beherrscht, das nicht wahrhaben will. Deswegen ziehe ich eine konsistente 
deutsche Benutzerführung kleineren Problemen beim Sprachwechsel vor. Aus 
meiner Sicht ist genau das einer der Vorteile von Open Source und der 
gettext-Bibliothek: Benutzerführung in der Sprache des Benutzers.

> An einigen Stellen ist das ok - der OSM-Server heisst auch im deutschen
> JOSM OSM-Server und nicht irgendwie komisch. Die Balance stimmt
> weitgehend, aber einige Details wuerde ich anders machen. So wuerde ich
> auch weiterhin von "Tags" sprechen und nicht von "Eigenschaften". Ein
> Button ist fuer mich auch auf Deutsch ein Button und nicht ein "Knopf"
> (und ein Compiler ist fuer mich kein Uebersetzer und ein Linker kein
> Binder, nicht, dass das bei JOSM vorkaeme, das sind Worte aus fruehen
> Microsoft-Dokumenten).

Ich mache schon seit Mitte der 90er Jahre Übersetzungen für 
Computerprogramme und habe etwas Erfahrung in dem Bereich. Es ist sehr 
schwer für jeden Begriff die Balance zwischen deutsch und Englisch zu 
finden. Meine generellen Regeln sind hier:

a) JEDER Begriff wird übersetzt, wenn es einen gebräuchlichen deutschen 
Begriff gibt. Server kann man nicht übersetzen, da es hier keinen 
deutschen Begriff gibt. Compiler ebenfalls. Button hingegen ist ein Knopf 
und wird auch in vielen Programmen so verwendet. Und auch Mainboard kann 
man übersetzen und zwar nicht als Mutterbrett (wie der Verein zur Rettung 
der deutschen Sprache meint), sondern als Hauptplatine. Und ein Bugreport 
ist einfach ein Fehlerbericht.

b) Begriffe die nicht wörtlich übersetzt werden können brauchen eine 
deutsche Entsprechung, die verständlich ist. Diese muss dann aber 
einheitlich verwendet werden. So nutzt JOSM z.B. Schlüssel/Wert, Merkmal 
und GPS-Spur für eine Reihe von englischen Originalen (z.B. Tag, GPX 
track, track, trace, GPS data, ...). Theoretisch wäre hier auch im 
englischen Großreinemachen angesagt, aber das ist nicht meine Aufgabe. Tag 
z.B. wird im englischen JOSM mit mindestens 3 verschiedenen Bedeutungen 
genutzt. Und keine davon entspricht eigentlich der wörtlichen Bedeutung.

Für größere Projekte gibt es deshalb einen Übersetzungsguide für jede 
Sprache. Leider bietet Launchpad keine sinnvolle Möglichkeit so etwas 
einzubinden. Die Datei, welche einer der Amiga-Übersetzer zusammenstellte, 
gibt mir heute noch wertvolle Hilfen.

> Wie sehen das die anderen? Uebersetzen, was das Zeug haelt, oder einige
> Begriffe stehen lassen?

Übersetzen was das Zeug hält auf keinen Fall. Du hast die großen Sachen 
angesprochen, die sich leicht entscheiden lassen. Viel schwieriger sind 
eigentlich die Objektvorlagen. Übersetzt man "Car Sharing" oder hat sich 
der Begriff mittlerweile eingebürgert? Ist Imbiss für "Fast Food" gut 
genug oder hat sich die Bedeutung der zwei mittlerweile zu stark entfernt? 
Wie übertrage ich ein "bump gate" sinnvoll, dass es in Deutschland gar 
nicht gibt ...

P.S. Was die anderen Programme angeht: Momentan bin ich auch für 
merkaartor der Übersetzer, so dass zumindest hier Einheitlichkeit 
herrscht. Und auch für merkaartor arbeite ich an einer Integration in 
Launchpad.

Ciao
-- 
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