[Talk-de] Wie deutsch muss man sein?
Christoph Eckert
ce at christeck.de
So Feb 8 10:31:08 UTC 2009
Moin,
> Allerdings stoeren mich einige Dinge, ich finde, dass eine gute
> Uebersetzung auch wissen muss, wo sie zu uebersetzen aufhoeren sollte.
sehe ich ähnlich; allerdings muss der Grenzverlauf der Zielgruppe angepasst
sein. Und bei JOSM heißt das für mich, nicht zwanghaft alles, aber so viel
wie möglich zu übersetzen.
> Ich finde zum Beispiel, dass man auch einem deutschen Nutzer die Worte
> "Node" und "Way" zumuten sollte.
Da bin ich anderer Ansicht. »Node« ist so ein typisches Infomatikerwort. Das
gilt zwar selbst dann noch, wenn man es als »Knoten« übersetzt, aber da hat
der deutsche Nichtinformatiker noch eher die Chance zu begreifen, um was es
geht. Als Nichtcomputerbenutzer frage ich mich, warum die Dinger nicht
einfach Punkt oder Punktobjekt heißen.
> Es sind ohnehin Abstrakta - ein Way ist
> ja nicht wirklich ein "Weg", sondern eben das, was in der OSM-Datenbank
> "Way" heisst, also ein lineares Konstrukt mit mehreren Stuetzpunkten.
Polygon, Kante, Linie, Linienobjekt. »Way« und »Weg« sind beide krank. »Path«
wäre vielleicht im Englischen besser, würde aber die wörtliche Übersetzung
ins Deutsche nciht besser machen :) .
> Ich finde, dass man, indem man auch solche Begriffe uebersetzt, unnoetig
> Barrieren aufbaut und es dem Benutzer (noch) schwerer macht, auch mal
> ein anderes, englischsprachiges Programm zu bedienen.
* Aus meiner beruflichen Erfahrung heraus weiß ich, wie hart es ist, eine
wirklich gute Übersetzung hinzubekommen (wobei ich aus der Gegenrichtung,
nämlich de - en komme). Wie Dirk schreibt könnte man manchmal Stunden damit
verbringen, über einzelne Übersetzungen nachzudenken.
* Wichtig ist es, eine gewissen Konsistenz hinzubekommen. Ein Node ist ein
Node *oder* ein Knoten *oder* ein Punktobjekt *oder* ein Punkt. Nicht mal so
und mal so. Achtet man darauf nicht, baut man den Anwendern Hürden auf, die
man selbst nie erwartet hätte.
* Je mehr Leute Interesse und Spaß an OSM finden, desto besser (denk an die
Hausnummern ;-) . Wieso willst Du sie zwingen, sich intensiver mit OSM zu
beschäftigen, als sie wollen? Im Zweifel erreichst Du, dass sich Leute mit
einem "Dann halt eben nicht" wieder abwenden. Was unsereins gerne übersieht,
ist die Tatsache, dass ein signifikanter Prozentsatz der Deutschen mit
Englisch exakt überhaupt nichts anfangen kann. Sie lesen keine englischen
Bücher, sie lesen keine englischen Webseiten, sie lesen keine englischen
Handbücher und so weiter. Und kennen daher auch dict.leo.org und Konsorten
genausowenig, wie sie ein Dictionary im Regal stehen haben.
> An einigen Stellen ist das ok - der OSM-Server heisst auch im deutschen
> JOSM OSM-Server und nicht irgendwie komisch.
Wobei ich »OSM-Zentralrechner« so falsch nicht fände.
> Die Balance stimmt
> weitgehend, aber einige Details wuerde ich anders machen. So wuerde ich
> auch weiterhin von "Tags" sprechen und nicht von "Eigenschaften".
Geht mir ähnlich. Allerdings weiß ich auch, dass ein hoher Prozentsatz der
Deutschen, die etwas Englisch beherrschen, mit Wörtern wie »Tag«
und »Amenity« nichts anfangen können.
Ich tue mir mit eingedeutschten Sachen auch häufig schwer, das gilt auch und
gerade für Betriebssysteme. Andererseits finde ich englische Begriffe in
einer deutschen Benutzerführung genauso unschön wie wenn wir als Deutsche
(mumaßlich) englische Begriffe verwenden, die es gar nicht gibt oder die
nicht das bedeuten, was sich der kosmopolitische Anwender dabei gedacht hat.
Wieso werben deutsche Händler mit »Bodybags« (Leichensack), wenn sie
Rucksäcke verkaufen wollen? Wieso muss ich erst Englisch lernen, bevor ich
bei OSM mitmachen darf? Wieso bedeutet eigentlich »Way« ausgerechnet bei
einem Kartenprojekt nicht »Weg«, sondern »Datenobjekt, das aus mehreren
geordneten Punkten besteht«?!?
> Ein
> Button ist fuer mich auch auf Deutsch ein Button und nicht ein "Knopf"
»Knopf« finde ich persönlich ziemlich mißlungen. Was ist mit Schaltfläche? IMO
die perfekte Übersetzung. Wobei dann die Frage bleibt, ob man die
Schalkfläche jetzt klickt oder drückt:
»Klicken Sie auf den Button...«
»Drücken Sie auf den Button...«
»Klicken Sie auf die Schalkfläche...«
»Drücken Sie auf die Schalkfläche...«
Da bin ich dann doch eher für Klickern :) .
> (und ein Compiler ist fuer mich kein Uebersetzer und ein Linker kein
> Binder, nicht, dass das bei JOSM vorkaeme, das sind Worte aus fruehen
> Microsoft-Dokumenten).
Das sind ja auch bekannte Fachbegriffe einer Zielgruppe, in der ich
Englischkenntnisse voraussezten muss. Wenn Mediziner sich unterhalten,
versteht man als Außenstehender potentiell nicht mehr allzu viel (schon gar
nicht die Witze :) . Das ist ja auch in Ordnung so. Die interessante Frage
ist, ob selbige es hinterher schaffen, sich Nichtmedizinern gegenüber in
verständlicher Sprache zu artikulieren.
> Wie sehen das die anderen? Uebersetzen, was das Zeug haelt, oder einige
> Begriffe stehen lassen?
Mit Gewalt jeden Begriff übersetzen zu wollen bringt natürlich nichts, das ist
uns schätzungsweise allen klar. Andererseits kann man sehr weit kommen, wenn
man sich Mühe gibt. Von einem Missionierungseifer der Art "Ich will dass die
Leute lernen, wie unsere Infrasturuktur tickert..." halte ich nichts. Schon
die 68er wollten alle Arbeiter zu Intellektuellen machen. Sie hatten dabei
lediglich übersehen, dass die Arbeiter gar nicht wollten. Wenn ich über das
Webinterface eines Carsharers (Übersetzer vor ;-) ein Auto buchen möchte,
will ich eigentlich nicht darüber nachdenken, wie die Datenbanktabellen
hinter dem Interface wohl aussehen mögen.
Dirk hat dem Projekt mit seiner Übersetzungsarbeit sicher etliche weitere
Benutzer beschert; nicht zuletzt die übersetzten Presets machen es einigen
Leuten überhaupt erst möglich, bei uns mitzumachen. Und dabei meine ich nicht
erst die Generation 70+. Sondern schon die Generation 20+.
HTH,
c "Wie übersetzt man eigentlich HTH" e
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