[Talk-de] Schreckgespenst "Datenverlust"

Heiko Jacobs heiko.jacobs at gmx.de
Mo Jul 19 12:29:36 UTC 2010


Moin

Dirk-Lüder Kreie schrieb:
> ich bin der Ansicht, dass einige hier einen Völlig falschen Eindruck
> bekommen haben, wie die Portierung in die neue Lizenz überhaupt
> stattfinden soll.

Der Eindruck ist, dass er völlig planlos und unausgegoren abläuft.
Keins der Tools, die gute und schlechte Daten sortieren soll, gibt
es anscheinend. Nur Absichtserklärungen, dass das schon klappen wird
und man sich keine Sorgen machen müsse.

> Anscheinend deshalb wird hier um jeden einzelnen Node und jedes Tag
> verbissen gekämpft.

Das gehört auch noch völlig zu den unklaren Dingen, wie die
Urheberrechte an gemeinsamen Objekten bewertet werden und somit
sind die Auswirkungen völlig unabschätzbar.

> Vielleicht sehe ich Datenverlust als Küstenbewohner, oder als Mapper,
> der selber bei "null" angefangen hat, anders, als Mapper, die eine schon
> existierende OSM-Karte verbessern konnten.

Auch ich habe oft genug bei Null angefangen.
Rund um die Wohnung meiner Mutter beim Bremerhavener Hauptbahnhof waren
damals nur größere und wenige kleine Straßen erfasst und fast nix
vom Bürgerpark. Heusenstamm, der Wohnort meiner damaligen Freundin,
ebenso. Beim Abzeichnen der Oberpfalz-Bilder (Hat da schon die
Kompatibilität zur neuen Lizenz abgeklärt? DARF ich überhaupt
zustimmen?) habe ich rund um Immenreuth mitgemacht und selbst
rund um das gut gemappte Karlsruhe betrete ich jetzt noch,
zuletzt gestern, OSM-Neuland in den Wäldern und Feldern ...

Überall war aber nicht gar nix vorhanden. In den Wäldern baue ich
auf einem meist schon Wegegerippe auf und erweiter es um einige
tags und Objekte wie Schranken etc. Deren Geometrie lasse ich oft
unangetastet, weil mein alter GPS-Empfänger nur 1200 Trackpunkte
speichern kann und ich in somit bei einer Erfassung per Rad
auf den schon vorhandenen Wegen ausschalten muss, weil es sonst
nicht reicht, den gamzen track mit ausreichender Genauigkeit
aufzuzeichnen. "Schlimmstenfalls" hänge ich da nur ein smoothness-tag
dran, bestenfalls auch noch surface und tracktype, das ist
urheberrechtlich nix bis fast nix, aber trotzden Arbeit bei
Erfassung und Editieren. Wenn der alte Mapper aber nicht
mehr auffindbar wäre, hängen alle drangehängten neuen Wege
in der Luft und die neuen tags sind auch futsch.

Ebenso unklar ist das Schicksal der vielen kleinen Änderungen
von tags und anderen Kleinigkeiten am Datenbestand in dicht
gemappten Gegenden wie Karlsruhe-Stadt oder anderswo.

> Kurz abgerissen erstmal meine informierte Einschätzung:
> 
> - PD/CC0 ist die "bessere Lizenz" für OSM
> - ODbL ist besser als ihr Ruf

Dachte ich bisher auch, komme aber auch da immer mehr ins Zweifeln,
je tiefer ich einsteige, nicht nur wegen der Kollateralschäden.
PD scheint im übrigen noch mehr Kollateralschäden nach sich ziehen
zu müssen wegen der vielen importierten Daten, die vielleicht
ODbL-kompatibel, aber nie PD-kompatibel zu kriegen wären.
Nach den mit zu beschließenden neuen Contribution Terms stünde
aber der Weg offen, jederzeit mit ausreichender Mehrheit (glaub 2/3)
eine "andere freie Lizenz", vulgo PD/CC0, zu beshcließen, d.h.
einige wie Nearmaps oder so, die in Australien Luftbilder verfügbar
machen, könnten zwar ODBL, aber nicht den CT zustimmen, weil dann
irgendwann by-sa futsch ein könnte.

 > - Die Menge der nicht portierbaren Daten wird IMO verschmerzbar sein
> - selbst Datenverlust ist verschmerzbar

Das ist Deine Ansicht.
Nehmt einfach mal zur Kenntnis, dass andere Leute deutlich
andere Prioritäten haben, wie sie die bereits in das Projekt
reingesteckte Arbeit bewerten.

> - gekränkte Mapper werden durch motivierte ersetzt, wer will schon, dass
> "seine" Stadt/Dorf/Straße nur deshalb nicht in der aktuellen OSM-Karte
> ist, weil ein Mapper schmollt?

Ihr untergrabt damit die Hauptmotivation, warum ein Großteil
der Mapper mitmacht.
Die wollen mit einem reichlichen Anteil ihrer Freizeit zum
Wachsen des Projektes beitragen. Für den Papierkorb arbeitet
dagegen niemand gerne. Und das Projekt schrumpfen will auch
niemand sehen, schon absolut gar nicht wegen irgendeinem für
die meisten nur sehr theoretischen Lizenz-Hickhacks.

Diese Aspekte umterschätzt ihr massiv, auch weil der Hauptprotest
vermutlich erst danach kommt.
Was nämlich beim Text, dem zugestimmt wird, nicht wirklich
rauskommt, ist dass auch bei einem Ja die eigenen Daten oder
einfach Daten im Interesensgebiet in unabschätzbarer Größe in
Gefahr sind durch andere Nichtzustimmer oder einfach nicht
mehr erreichbare Mapper. Es ist wie im realen Leben: die Leute
wachen erst auf, wenn es zu spät ist, wenn die Bagger für die
Schnellstraße hinterm Garten anfangen zu baggern, ..., wenn die
Daten futsch sind in der eigenen Gegend.

Ich kann da nur diesem Zitat zustimmen:

Christian Schmitt schrieb:
 > Denn was ist es denn was unser Projekt am Leben hält?
 > Ist es nicht eine Kombination aus freiheitlichem Geist
 > (Selbstbestimmung), selbstlosem Einsatz für eine höhere Sache
 > (sinnstiftendes ehrenamtliches Engagement) und dem praktischen
 > Nutzen, den jeder selbst aus unserem Werk zieht?

"sinnstiftendes ehrenamtliches Engagement" sollte man da besonders
dick unterstreichen.

Wenn ihr so Statements bringt, dass es ja kein Problem sei,
die entstehenden Lücken wieder zu schließen oder das das
gar SPASS macht, dann heißt das auf gut deutsch, dass die
Arbeit der anderen dann ja wohl ziemlich wertlos gewesen sein
muss, ja es wäre geradezu spaßig, die Arbeit anderer ständig
wieder in die Tonne zu treten, warum machen wir das zum Spaßerhalt
eigentlich nicht einfach öfters?

Mit jeder solchen Bemerkung bestärkt ihr die potentiellen
Neinsager, dass das die richtige Entscheidung ist, und gewinnt
noch neue hinzu.

Habe auch schon die erste "Fan-Mail" im Briefkasten, wo derjenige
mir bescheinigt, dass ich ihm aus der Seele spreche und der auch
nicht einsieht mühsames jahrelanges Datensammeln noch mal zu machen.
Den Satz danach zitiere ich besser nicht ...

Das Dumme: diejenigen, die so denken über den Wert der Arbeit
der Mapper, ist bei den Diskussionen vermutlich eher weniger zu
finden, weil sie das ganze eher theoretische Lizenzgedöns nicht
interessiert. Die mappen einfach und fallen hinterher erst vom
Hocker, wenn sie merken, was sie da zugestimmt haben ...

Tut mir leid, aber von der Psychologie im Ehrenamt habt ihr
offensichtlich Null Ahnung.
Achtet mal mehr auf die Fettnäpfchen unter euch.
Einige große habt ihr schon leergetreten ...

> Der derzeitige Lizenzstand ist nicht hinnehmbar[1], und alle
> Möglichkeiten, daran was zu ändern, haben automatisch einen Verlust von
> nicht unter der neuen Lizenz nutzbaren Daten zur Folge. Das ist
> unausweichlich. Deshalb die ODbL abzulehnen, aus dem einzigen Grund,
> dass dadurch für ein unter ODbL lizenziertes OSM nicht mehr alle alten
> Daten zur Verfügung stehen, ist IMNSHO unverantwortlich und
> projektschädigend.

Datenverlust ist m.E. mehr projektschädigend.
Den Mappern vor den Kopf zu stoßen, die den Wert ihrer jahrelangen
Arbeit höher bewerten als Lizenzgedöns, ist m.E. mehr projektschädigend.

 > Wer also die ODbL als die Ursache von "Datenverlust" anprangert schadet
 > grob Fahrlässig dem Projekt, durch Fehldarstellung der Tatsachen und
 > aktive miese Stimmungsmache.

Sie ist die Ursache von Datenverlust. Schon alleine wegen der
nicht mehr erreichbaren Mapper wird es dazu kommen müssen,
wenn diejenigen, die das Urheberrecht so hoch halten, es auch
wirklich so ernst meinen, wie sie immer sagen, und nicht
anfangen rumzumauscheln und nach Ausreden suchen, um Datensätze
teilweise doch zu retten, und sich so unglaubwürdig machen.
Dann kann man auch gleich eine andere Vorgehensweise ganz ohne
Verluste suchen.

Diejenigen, die sich Sorgen um die Datenintegrität machen,
weil sie eben andere Prioritäten haben, als miese Stimmungsmacher
abzutun, ist auch äußerst kontraproduktiv.

Dirk-Lüder Kreie schrieb:
 > Die Karte muss eh ständig irgendwo aktualisiert werden,

Richtig. Das steht an und nicht das Stopfen von Löchern.

 > Die aktivsten "nicht-Zustimmer" sind übrigens die, die nur nicht
 > zustimmen, wegen des drohenden Datenverlustes. Also entsteht die
 > paradoxe Situation, dass der Datenverlust in einigen Gegenden überhaupt
 > erst durch die Furcht vor Datenverlust entstehen wird.

Dafür können wir nix, da die Frage, ob man (unter diesen
Nebenbedingungen und Kollateralschäden) einen Lizenzwechsel
des Gesamtprojekts zustimmen will, gar nicht gestellt wird,
sondern nur die Frage, was mit den eigenen Daten passieren soll
(wobei ja eben gar nicht sicher ist, dass ein "meine Daten sollen
auch unter ODBL dem Projekt verfügbar sein" auch wirklich kommt
wegen der Unklarheit mit den Vormappern etc.)

Wenn man diese beiden Fragen sauber trennt, stellt sich dieses
Problem womöglich nicht. Zumindestens wollte ich im Falle einer
Trennung der Fragen nur noch dem allgemeinen Lizenzwechsel die
Zustimmung verweigern, für meine Daten die Weiterverwendung sichern.
Aber langsam gerät auch das ins Wanken wenn hier weiter gesagt
wird, dass man das alles ja so einfach ersetzen kann und dass
das ja auch Spaß macht. Dann frag eich mich, ob ich diesen Leuten
wirklich ihren Spaß verderben will.

 > Mein Beileid jetzt schon an die entsprechenden Communities, die
 > unnötigen Datenverlust durch solche destruktiven Aktionen wieder wett
 > machen müssen.

Ach, hier in dieser Ecke gibt's ja schon jemand, der das mit
viel Freude machen wird:

 > Als *Mapper* kann ich mir vorstellen, dass ich sogar einen gewissen
 > Spass daran haben werde, die Luecken zu schliessen, die moeglicherweise
 > durch den Lizenzwechsel entstanden sind.

Gruß Mueck






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