[Talk-de] Offizieller Satz von OSM Diensten
Frederik Ramm
frederik at remote.org
Di Sep 20 20:28:23 UTC 2011
Hallo,
> Ich halte es für förderlich, wenn im OSM Projekt ein stabiler Satz von
> Werkzeugen etabliert wird, die fest sozusagen "offiziell" zum OSM
> Projekt gehören und auf die man dann auch verweisen kann.
Ja. Solche Dienste stellen allerdings eine hohe Belastung fuer das
Projekt dar, denn sie muessen dann ja auch am Laufen gehalten werden.
Hat man erstmal allen Leuten erzaehlt, dass man z.B. ein XAPI betreibt,
dann erwarten die Leute auch, dass das tut.
Dem einen oder anderen mag das verblueffend erscheinen, aber solche
Rechner warten sich auch nicht von allein. Mittlerweile hat OSM ja schon
einen gehoerigen Park zusammen, und ich kriege das manchmal mit, wenn
mal wieder abends ein Netzteil ausfaellt oder ein Rechner vom UCL zum IC
gefahren werden muss oder umgekehrt. Hardware muss gekauft, Prognosen
muessen gemacht werden, Logfiles ueberwacht, Beschwerden muss
nachgegangen werden und so weiter.
Deswegen werden solche Dienste, von denen das Projekt verspricht, dass
sie laufen, ganz bewusst auf eine moeglichst kleine Liste beschraenkt.
Dazu gehoert ganz oben natuerlich Lese- und Schreibzugriff fuer
Editoren, und gleich danach die Planet-Dumps und Diffs. Dann kommen
Webseite, Mailinglisten, Wiki, Forum, help.openstreetmap.org - die sind
wichtig, aber zugleich ist es da auch nicht schlimm, wenn sie mal ne
Stunde nicht tun, daher machen die weniger Stress. Dann kommt der
Tileserver; das ist schon ein Punkt, an dem es einige Stimmen gibt, die
sagen, dass man den Tileserver langfristig abschaffen sollte und
mittelfristig bereits seine Nutzung strenger einschraenken (d.h. zum
Beispiel keine kostenlosen Kacheln mehr fuer iPhone-Applikationen, deren
Autoren damit Geld verdienen).
Alles weitere - zum Beispiel OWL, oder Routing, oder Nominatim, oder
diverse Analyseprogramme oder OpenStreetBugs, der OSM-Inspector,
keepright, Relation Analyzer, Dupenode-Map, Garminkarten, taegliche
regionale Extrakte - sind nicht Teil von dem "stabilen Satz von
Werkzeugen", und das aus einem guten Grund - es waere naemlich zu viel
Arbeit, fuer diese Stabilitaet zu garantieren.
Selbst bei den Kern-Services gehen die Meinungen ueber Stabilitaet
auseinander. Wir sind ein Projekt von Hobbyisten, und wenn die API
irgendwann von 0.6 auf 0.7 umgestellt wird, dann wird sie ein paar Tage
nicht erreichbar sein. Ebenso kann es bei Umzuegen oder Wartungsarbeiten
auch mal sein, dass der Tileserver einen Tag nicht geht.
Es ist richtig, dass einige Leute "erwarten", dass sowas nicht passiert,
aber da muss man dann gegensteuern und die Erwartungen korrigieren; es
kann nicht angehen, dass man an unser freiwilliges und unbezahltes
Admin-Team in London Anforderungen stellt, als ob man mit denen einen
Wartungsvertrag abgeschlossen haette.
> Zu diesen Werkzeugen würe ich natürlich in erster Linie einen Standard
> Renderer von Karten für das Web, einen Editor, eine Karte für GPS
> Geräte, aber auch solche Sachen wie den RA und weitere nützliche Tools
> zählen.
Es ist wuenschenswert, dass es solche Dinge gibt, und dass wir ein
Oekosystem haben, in dem Leute sowas bauen koennen, aber Kern-Dienste
des Projekts koennen das nicht werden, oder wir muessen gleich mehrere
Programmierer und Admins bezahlen. Und das wiederum wuerde das
Anspruchsdenken nur noch erhoehen ("wir bezahlen diese Leute, die sollen
das gefaelligst mal ordentlich machen").
Ich bin heilfroh, dass es nicht "die offizielle Garminkarte" gibt, und
bei den Tile-Layern geht die Entwicklung zum Glueck auch weg von
"Mapnik-Standardkarte fuer alle". Sowas erstickt doch jede Innovation.
> Mir ist durchaus bekannt, daß es keine optimale "eine für alles Lösung"
> geben kann und daß es möglicherweise sogar mehrere Lösungen geben muß -
> doch dann sollten diese Lösungen auch einem bestimmten Satz von
> Qualitätskriterien genügen, der verläßlich auch durch diese Alternativen
> eingehalten wird.
Beim Tile-Layer fuer die Startseite hat die OSMF ein paar
Qualitaetskriterien festgelegt und praktisch gesagt: Jeder, der einen
Layer baut, der diese Kriterien erfuellt, kann prinzipiell seinen Layer
auf der Startseite anbieten lassen. - Hosten und Rendern muss er
natuerlich selbst.
> In meinen Augen ist eine solche Formalisierung bei einem Projekt dieser
> Größe und Bedeutung (beides nimmt ja nach wie vor zu) dringend
> notwendig, um eine effektive Organisationsstruktur zu schaffen, die
> letztlich Entwicklern und Nutzern zu Gute kommt, Neulingen den Einstieg
> erleichtert und Kritikern die Argumente schwer werden läßt.
Wir haben das mit dem FOSSGIS-Devserver ja probiert; es gibt da gute und
schlecht Erfahrungen. Der Plan war dort auch, dass man Leuten die
Ressourcen gibt, um ihre Sachen zu entwickeln und laufen zu lassen, und
dass durch gegenseitige Offenheit auch eine Zusammenarbeit entsteht.
Leider hat sich gezeigt, dass es fuer viele eben doch reizvoller ist,
was eigenes zu machen, als bei einem bestehenden Projekt mitzuarbeiten.
Diese Neuerfindung des Rads ist durchaus nicht immer schlecht und kann
dazu fuehren, dass radikale neue Ideen sich durchsetzen - wenn man die
Leute zwingt, alle am gleichen Seil zu ziehen, dann laufen einem die
wirklichen Genies vielleicht auch davon ;-)
Mit auch deshalb ist der Devserver staendig mit der Kapazitaet am Anschlag.
Grundsaetzlich koennte ich mir vorstellen, dass diese Devserver-Idee
etwas verbessert wird und mit mehr Hardware unterfuettert, die eventuell
auch bei Sponsoren betrieben werden kann wie im Fall des von Strato
gesponsorten FOSSGIS-Devservers. Die Eigeniniative von Leuten muss
gefoerdert werden - die OSMF mit immer neuen Forderungen nach
verlaesslichem Infrastrukturbetrieb zuzuballern, das fuehrt nur zu einem
unbeweglichen, innovationsfeindlichen Verwaltungsapparat.
Wenn wir etwas nicht selbst auf die Beine stellen koennen, besteht kein
berechtigter Grund zu der Annahme, dass es dann erfolgversprechend ist,
zu verlangen, "irgendjemand" ("das Projekt", "die OSMF") solle das
machen. Wir sind das Projekt. Entweder machen wir das oder keiner.
Es gibt immer mal wieder Sponsor-Angebote, die im Sande verlaufen, weil
sich niemand drum kuemmert oder weil halt irgendein kleiner Server mit 8
GB in einem Rechenzentrum in Russland niemanden interessiert. Ein erster
Anfang koennte sein, dass sich jemand mal den Hut aufsetzt, dass er
diese Sponsor-Angebote registriert und auf der anderen Seite Anfragen
von Leuten entgegennimmt, die gern einen Service anbieten wuerden.
Eventuell kann daraus auch eine groessere "Plattform" werden, eventuell
kann auch einer sagen "ich bin bereit, einen Server zu administrieren,
auf dem jemand anders einen OSM-Dienst installiert" oder so. Damit
koennte man die weit verbreitete Eigenbroetlerei vielleicht ein bisschen
aufbrechen und den Leuten mit guten Ideen ueber die Anfangshuerden
hinweghelfen.
Aber mehr als eine Katalysator-Funktion ist m.E. zentral nicht drin. Wer
"verlaessliche" Angebote braucht, der kann die nicht bei einem
Hobbyprojekt suchen.
Bye
Frederik
--
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