[Talk-de] Werdet Mitglied in der OSM Foundation!

Michael Reichert osm-ml at michreichert.de
Di Okt 30 21:32:07 UTC 2018


Crossposting zu https://forum.openstreetmap.org/viewtopic.php?id=64288

TL;DR Bitte werdet Mitglied in der OSM Foundation, bevor die OSM
Foundation von einer Beschützungs- und Rechtehaltungsorganisation für
OSM zu einer Interessenvertretung amerikanischer Firmen und HOT wird. Am
Ende der Mail steht, wie man Mitglied wird. Es kostet 15 Britische Pfund
und ist kein Abo.


Liebe Mitmapper/innen und OSM-Interessierte,

ich bin seit sieben Jahren bei OSM aktiv und seit zwei Jahren
OSMF-Mitglied, weil ich mitbestimmen möchte, was mit dem passiert, in
das ich viel Zeit gesteckt habe. Da sich die gelebte Praxis in der OSMF
jedoch immer mehr von meinen Vorstellungen als Craftmapper entfernt,
möchte ich euch bitten, ebenfalls Mitglied in der Foundation zu werden
und dafür zu sorgen, dass die Interessen der Craftmapper ausreichend
stark vertreten sind.

Die OSMF gerät immer mehr in den Einfluss kommerzieller,
US-amerikanischer Interessen. Von den sieben Vorständen stehen vier dem
US-amerikanischen Big Business nahe und ein Fünfter, mein Vorgesetzter,
verdient auch sein Geld mit OSM [1]. Zwar kommen knapp 40 Prozent der
Mitglieder aus den USA und Kanada, 48 Prozent aus Europa, wovon aber
mancher amerikanische/kommerzielle Interessen vertritt bzw. für sie
eintritt. Dieses Verhältnis entspricht aber nicht dem Verhältnis der
Beiträge zu OSM. [2]

Die Interessen dieser Gruppen an Amerikanern weichen in vielen
grundsätzlichen Fragen deutlich von den Interessen der freiwilligen
(v.a. in Europa ansässigen) Craftmapper ab, die OSM aufgebaut und groß
gemacht haben, ab. Die Amerikaner, die sich intensiv in der OSMF
engagieren, sind auf Seiten US-amerikanischer Firmen und HOT US Inc.

Dank der Mitgliedsbeiträge der Firmenmitgliedschaften brauchen wir zwar
keine jährlichen Spendenaufrufe mehr, machen uns aber abhängig. Aufgrund
dieser Nähe zu Firmen mangelt es der OSMF und ihrem Vorstand an der
nötigen Distanz im Umgang mit diesen Firmen. Daher sollten wenigstens
die Mitglieder als Korrektiv agieren können und schlechte Beschlüsse
während der Diskussion im Vorfeld deutlich und mehrstimmig kritisieren
und, falls es soweit kommt, bei einem Mitgliederentscheid ablehnen können.

Die Dominanz bringt u.a. folgende Probleme mit sich:

(1) Ich mache mit, weil ich die Sache gut finde und etwas zurückgeben
möchte. Den Unternehmen geht es um ihr Geschäft – das liegt ja in ihrer
Natur. Sie sehen in OSM eine Datenbank, in die man seine Daten kippen
kann, weniger eine Community, die eine Datenbank pflegt. Bots bzw.
automatische Datenerfassung im Allgemeinen ist für diese Firmen das
heiße Ding. Leider sind viele Firmen zu Beginn mit Qualitätsmängeln
aufgefallen. Qualitativ gutes Mapping wird erst geleistet, wenn Druck
gemacht wird und Sperren drohen.

Der Vorstand hat vor gut einem Jahr die Data Working Group beauftragt,
eine Richtlinie dafür auszuarbeiten. Die DWG hat dazu im Herbst letzten
Jahres eine Community-Umfrage durchgeführt und basierend auf den
Ergebnissen einen  Richtlinienentwurf verfasst. Dieser wurde
anschließend auf der Mailingliste OSMF-Talk von einem Chor an
HOT-Aktivisten und Vertretern amerikanischer Geschäftsinteressen,
kaputtkritisiert. HOT wäre von der Richtlinie nämlich auch betroffen.
Das Archiv der HOT-Mailingliste ist reich an Beschwerden über
qualitative Mängel von HOT-Mappingaktionen. [3]

Anstatt der DWG den Rücken zu stärken, hat der Vorstand nichts getan.
Ein neuen Entwurf der DWG liegt mittlerweile vor. Es ist nur noch
Empfehlung. Keine seiner Regel ist verbindlich und stellt Interessen der
Firmen über die Interessen der freiwilligen Craftmapper. Ob selbst
dieser weichgespülte Entwurf vom Vorstand beschlossen wird, ist fraglich!

Die Richtlinienentwürfe (einschließlich der deutschen Übersetzungen) und
die Umfrage sind unter
[url]https://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Directed_Editing_Policy[/url]
verlinkt.


(2) Die zu große Nähe zu Firmen führt dazu, dass Firmen Rechte
eingeräumt werdern, die sie nicht haben sollten. Wenn eine Firma gewisse
Dinge über ihre Mappingaktivität geheim halten möchte, wird ihr das
gestattet. Apple durfte auf der letzten State of the Map in Mailand
einen Vortrag halten, der nicht aufgezeichnet wurde.

Wer Firmen, die OSM nutzen oder gar selber mappen (lassen), kritisiert,
wird für die Kritik kritisiert, selbst wenn ihre Nutzung oder ihre
Beiträge für OSM kein Gewinn sind, z.B. eine Vearmung der
Software-Vielfalt, Aufmerksamkeits-Trittbrettfahrer, kontroverse
Datenimporte. (Beispiel siehe [4])


(3) Es ist im Sinne der Firmen, mit einer OSMF zu interagieren, die
"professionell" ist. Was der Chef sagt, wird gemacht. OSM ist zum Glück
noch weit davon entfernt. Wenn aber oft genug genügend viele Leute ohne
großen Widerspruch "OSM sollte (einen) Führer haben" rufen, glauben das
irgendwann auch alle – v.a. die Außenstehenden.

Eine professionelle OSMF macht zwar Mappingvorschriften, was mancher von
euch begrüßen würde, aber sie nimmt der Basis die Freiheit, Nein zu
sagen. Wenn Vorschriften gemacht werden, sollte das von der Basis
ausgehen (also ähnlich wie Frederiks Vorschlag neulich bzgl. des
Verklebens von Flächen) [5].

Der Einsatz hauptamtlicher (bezahlter) Arbeitskräfte anstelle
Freiwilliger für die Aufgaben in der OSMF muss nicht per se schlecht
sein. Mit bezahlten Kräften kann man mehr erreichen, beispielsweise eine
aktivere Öffentlichkeitsarbeit. Das kann aber auch nach hinten losgehen
und dazu führen, dass Craftmapping verschwiegen bzw. als veraltet
dargestellt wird und die Öffentlichkeitsarbeit bloß noch humanitäres
Mapping erwähnt, weil sich das besser verkauft.

Das Einstellen weiterer Arbeitskräfte ist absehbar. Der Vorstand, der
derzeit durch Untätigkeit auffällt, wird das von ihm entworfene
Fördermittelprogramm nicht in seiner Freizeit verwalten können und dafür
jemanden bezahlen.


(4)  Die kommerziell motivierten Amerikaner und Anhänger des
HOT-Projekts streben danach, im OpenStreetMap-Projekt einen Code of
Conduct für die digitale Kommunikation im Projekt einzuführen. Ich
denke, dass Verhaltensregeln im Grunde kein Teufelszeug sind. Die
Mailinglisten-, Wiki- und Forenmoderatoren sowie die DWG wenden jetzt
schon Regeln an, nur sind diese nicht schriftlich fixiert. [6]

Ein Code of Conduct wird von seinen Befürwortern dogmatisch verteidigt.
Es sei heutzutage üblich, einen zu haben. Ein amerikanischer
Code-of-Conduct-Befürworter schrieb letztes Jahr  auf der Mailingliste
OSMF-Talk, dass er Frauen abrate, in der Stadt, in der er wohne, den
OSM-Stammtisch zu besuchen. Dieser Stammtisch habe keinen Code of
Conduct habe und sie seien dort deshalb nicht. [7] Ich habe die
Diskussion über einen Code of Conduct, die im November/Dezember 2018
stattfand, unter
[url]https://blog.openstreetmap.de/blog/2017/12/die-code-of-conduct-diskussion/[/url]
zusammengefasst. Momentan ruht die Sache, denn es mangelt noch an einer
deutlichen Mehrheit im Vorstand.

Viele Projekte verwenden auf vorgefertigte Code of Conducts. Manche
davon schreiben vor, dass Kritik nur "professionell" (lies: entsprechend
der Gepflogenheiten des US-amerikanischen Geschäftslebens) geäußert
werden darf. Ist das nicht kulturellem Imperialismus, wenn es über
Sprachgrenzen hinweg angewendet wird, und widerspricht es dann nicht dem
Ansatz "Local OSM community first"? Schließt es nicht Leute aus, deren
Englisch nicht perfekt ist?

Ein Code of Conduct kommt jedoch auch mit einer politischen Botschaft.
Reichlich Code-of-Conduct-Vorkämpfer sind der Meinung, dass sich ein
Code of Conduct auch auf das öffentlich sichtbare Leben außerhalb von
OSM erstrecke (z.B. ein Benutzerkonto in einem sozialen Netzwerk),
selbst wenn es nicht explizit im Code of Conduct steht. Dagegen ist ein
offizielles Statement zu Uploadfiltern vernachlässigbar.


Ich möchte euch alle daher ausdrücklich bitten, Mitglied in der OSMF zu
werden. Am 15. Dezember findet die nächste Mitgliederversammlung der
OSMF statt. Neben den üblichen Vorstandswahlen (zwei von sieben Sitzen)
wird es möglicherweise auch einen kontroversen Antrag aus dem Kreis der
Mitglieder geben, der das Mapping unmittelbar betrifft.

Wahlberechtigt ist, wer bis zum 15. November 2018 Mitglied geworden ist.
Auf [url]https://join.osmfoundation.org/[/url]  könnt ihr die
Mitgliedschaft abschließen. Sie kostet 15 britische Pfund (ca. 17 Euro)
pro Jahr. Es handelt sich dabei nicht um ein Abonnement.  Sie läuft nur
ein Jahr und muss dann durch erneuert werden. Daran werdet ihr per Mail
erinnert.

Ihr habt die Wahl normales oder assoziiertes Mitglied zu sein. Normale
Mitglieder sind vollwertige Mitglieder entsprechend des britischen
Rechts und dürfen auch über Satzungsänderungen abstimmen. Das britische
Recht erlaubt es jedoch jedem, von der OSMF eine Liste aller normalen
Mitglieder samt deren Anschrift zu verlangen. Wer das nicht möchte, kann
assoziiertes Mitglied werden.

Der Mitgliedsbeitrag kann per Paypal und SEPA-Banküberweisung bezahlt
werden. Falls ihr letzteres tut, müsst ihr das Formular auf
[url]https://join.osmfoundation.org/alternative-payment-options/[/url]
ausfüllen. Denn die Barclays Bank, bei der die OSMF ist, teilt dem
Finanzvorstand nur die ersten 16 Zeichen des Verwendungszwecks mit. Für
die automatische Verarbeitung der Mitgliedsbeitragszahlungen ist es
erforderlich, dass der Verwendungszweck mit "Membership <Name>"  lautet.

Viele Grüße

Michael Reichert


[1]  Zwar bin ich in der Geofabrik angestellt, aber OSM ist auch immer
noch mein Hobby und war es auch schon lange vor der Aufnahme meiner
Erwerbstätigkeit dort.
[2] [url]http://osmstats.neis-one.org/?item=countries[/url]
[3] [url]https://lists.openstreetmap.org/pipermail/hot/[/url], zufällig
herausgegriffen:
[url]https://lists.openstreetmap.org/pipermail/hot/2017-November/013942.html[/url]
[url]https://lists.openstreetmap.org/pipermail/hot/2018-July/014437.html[/url]
[url]https://forum.openstreetmap.org/viewtopic.php?id=64172[/url]
[4]
[url]https://www.reddit.com/r/openstreetmap/comments/9qbhi7/who_to_follow_on_twitter/e8948zw/[/url]
[5]
[url]https://lists.openstreetmap.org/pipermail/talk-de/2018-October/115428.html[/url]
[url]https://forum.openstreetmap.org/viewtopic.php?pid=721554#p721554[/url]
[6] heftige Beispiele gibt es bei mir auf Anfrage
[7] Es steht nicht in der Mail, aber Zürich war gemeint. Die originale
Mail ist im öffentlichen Archiv unter
[url]https://lists.openstreetmap.org/pipermail/osmf-talk/2017-December/004596.html[/url]
zu finden.

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