[Talk-de] Besorgt über den iD-Editor
Christoph Hormann
osm at imagico.de
Fr Mär 29 20:13:31 UTC 2019
Zunächst mal denke ich nicht, dass hier aktuell eine Gefahr einer
Kontrolle von Teilen von OSM durch Unternehmen besteht in dem Sinne,
dass über diesen Weg das Management von Mapbox konkret versuchen
könnte, das Mapping in OSM in eine bestimmte Richtung zu steuern.
Ich denke der Einfluss von Mapbox äußert sich vor allem darin, dass sie
Bryan mit seinen Vorstellungen und Präferenzen - die vermutlich gut zu
den Zielen von Mapbox passen - für diese Aufgabe ausgewählt haben und
vermutlich weniger dadurch, dass da konkrete Anweisungen zu
Einzelentscheidungen erteilt werden.
Was ich allerdings durchaus auch sehe ist ein zunehmender Trend, dass
wesentlich Projekte in OSM zunehmend von einer "selbstgekrönten"
technokratischen Elite dominiert werden, für die die Arbeit daran nicht
mehr Mittel zum Zweck ist, eine bestimmte Funktion für OSM zu erfüllen,
sondern für die diese Arbeit zunehmend von OSM selbst abgekapselt ist
und deren Hauptziel garnicht mehr ist, einen Dienst oder eine
Infrastruktur für die OSM-Community zu offerieren, sondern für die der
Erhalt der eigenen Position als technokratische Elite (und oft halt
dann auch mit dem entsprechenden Gehaltsscheck) zum Selbstzweck wird.
Wie ich ja neulich auf der englischen mailing-Liste angedeutet hatte,
sehe ich eine ähnliche Entwicklung aktuell beim Wiki wo ebenfalls eine
kleine Gruppe von Leuten versucht, durch die Einführung zunehmend
technisch komplexer Verfahren in der eigentlich ja völlig egalitären
Struktur des Wiki eine Herrscherklasse einzurichten, welche das Ganze
mit technischer Unterstützung durch Algorithmen verwaltet und sich
durch die speziellen hierfür notwendigen Kenntnisse unersetzlich macht.
Dahinter steht jetzt vermutlich nicht ein bösartiger langfristiger Plan
zur Weltherrschaft, sondern das ist schlicht aus dem Eigeninteresse der
Leute heraus die logische Herangehensweise.
Dies ist denke ich eine Entwicklung, die in OSM aufgrund der wachsenden
Größe und Bedeutung des Projektes schon fast zwangsläufig war. Es ist
ja noch gar nicht so lange so, dass Leute auf Grundlage ihrer Arbeit in
einem Projekt nur für OSM ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Ich sehe da zwei wesentliche Ansätze, dem entgegen zu wirken:
1) Die bestehenden Strukturen zur Kontrolle und Regulierung nutzen.
Fast alle Nutzer von iD nutzen diesen über osm.org. Aber während wir
eine recht klare Policy dafür haben, was für Karten-Layer auf osm.org
eingebunden sein können
(https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Featured_tile_layers/Guidelines_for_new_tile_layers)
gibt es für Editoren nichts analoges. Das könnte man ändern und so
relativ klare Rahmenbedingungen setzen. Insbesondere die Tatsache,
dass da jemand das Projekt mit leitet, der für diese Arbeit von
jemandem anonym bezahlt wird, geht meiner Meinung nach überhaupt nicht.
Schon rein aus Sicherheits- und Haftungs-Überlegungen würde ich
vorschlagen, die iD-Instanz auf osm.org umgehend auf die letzte Version
zurückzusetzen, bevor diese Person commit-Rechte im iD-Repository
erhalten hat.
2) Die Mapper in OSM müssen sich mehr außerhalb des Mappings selbst
sozial und politisch im Projekt engagieren. Ohne ein solches
Engagement kann das Projekt langfristig nicht funktionieren und was ich
auf der politischen Ebene (OSMF und FOSSGIS) derzeit sehe ist da
ziemlich dünne. Und auf der sozialen Ebene sind Programmierer da oft
deutlich engagierter dabei, mitzugestalten und dabei natürlich auch
ihre Interessen zu artikulieren - und zwar nicht nur solche, die für
ihre OSM-Arbeit bezahlt werden. Mapper haben da erheblichen
Nachholbedarf.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass ein nicht unerheblicher Teil der
Mapper mit der bei OSM traditionell was Tagging und Anderes angeht ja
existierenden Anarchie und Entscheidungsfreiheit eher unzufrieden sind
und sich im Grunde irgendwie eine autoritäre Herrscher-Elite wünschen
würden, die mal aufräumt und klare Strukturen schafft.
Anders ausgedrückt: Ich denke, dass mit den diskutierten Entwicklungen
durchaus auch Interessen innerhalb der Hobby-Mapper-Community bedient
werden, dass dies also nicht nur als ein externer Einfluss in eine
Richtung gegen die Interessen der Mapper gesehen werden sollte.
--
Christoph Hormann
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