[Talk-de] OSM als Beispiel für gescheiterte Basisdemokratie

Christoph Eckert ce at christeck.de
Sa Jul 4 21:49:57 UTC 2009


Moin,

folgendes fällt mir dazu ein (und leg' es nicht als persönliche Aversion aus, 
die existiert nicht):

> > Kannst Du mal kurz und knackig sagen, was Dich stört, wie Du es gerne
> > hättest,
> > und wie Du das lösen möchtest?
>
> Nicht mehr und nicht weniger als ein paar Basisparameter sauber
> und sicher auslesen zu können, die ich für mein Reisezeitmodell
> brauche.
>
> - kreuzungsfreier Ausbau
> - Schotter/Teer- oder Betonstrasse
> - Überholmöglichkeit
>
> Hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Ja, passt schon. Du hättest gerne, dass trunk nur für kreuzugsfrei ausgebaute 
Straßen verwendet wird, an allen Straßen ein Surface-Tag hängt und 
Überholmöglichkeiten ebenfalls, korrekt?

Die Frage ist, wie Du das Ziel eines Routers mit möglichst exakter 
Reisezeitberechnung (darum geht es wohl, oder?) erreichen kannst. Die Antwort 
lautet IMO: Gar nicht. Es bestünden folgende Möglichkeiten:

* Du postulierst auf den verschiedensten Kommunikationskanälen immer wieder, 
dass die Leute das alles taggen sollen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Ich 
nehme an, darin sind wir uns einig.

* Du arbeitest "hinter den Kulissen" darauf hin, dass sich ein Gremium 
etabliert, welches Deine Forderungen letztendlich in Taggingempfehlungen (oder 
auch Richtlinien) einfließen lässt. Das ist gar nicht abwertend gemeint. Aber 
bei Lichte betrachtet halte ich es für utopisch, dass sich hinterher so viele 
Leute an diesen Empfehlungen orientieren, dass Du einen so konsistenten 
Datenbestand bekommst, wie Du ihn gerne haben möchtest. Ich weiß nicht, ob Du 
dem zustimmst. Aber das ist meine Meinung.

* Du bastelst einen äußerst coolen Router, der bei nach Deinem Modell 
korrektem Tagging nicht nur eine excellente Route ermittelt, sondern auch sehr 
zustreffende Reisezeiten auswirft. Wo das nicht klappt, weist Du darauf hin, 
dass dort das Tagging suboptimal ist, und hoffst darauf, dass die Anwender 
Deinen Router und die Reisezeitberechnung für so cool halten, dass Sie die 
fehlenden Tags nachtragen. Das wäre der OSM-Weg (und es wäre noch nichtmal 
ausschlaggebend, ob es open oder closed source ist).

Selbst im letzten Falle halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass die 
Mapper massenhaft anfangen, Deine Tags alle zu setzen, und zwar aus zwei 
Gründen:
* Es gibt schon coole Router mit einer treuen Anwenderschaft. Du wirst also 
niemals 100% der Mapper "hinter Dir" haben.
* Schon die existierenden Router werfen hinreichend genaue Reisezeiten aus, 
indem Sie einfach nur den Straßentyp berücksichtigen. Ich bin immer wieder 
baff, wie gut das funktioniert. Und selbst wenn Du noch um ein paar 
Prozentpunkte genauer bist, so interessiert es meistens nicht, ob man 5 
Minuten früher oder später am Ziel ist. Zumal man immer auch Unwägbarkeiten 
mit einrechnen muss.

Wie gesagt, ich finde Deine Idee und die Vorschläge nicht verkehrt. Aber ich 
glaube nicht, dass Du die Möglichkeit hast, alles so zu bekommen, wie Du es 
gerne hättest. Ich hätte auch gerne, dass alle Mapper an Feld- und Waldwege 
einen grade- oder wenigstens ein surface-Tag hängen. Aber es wird niemals dazu 
kommen, dass jemand nur dann einen Track mappen darf, wenn er auch artig ein 
surface-Tag 'dranhängt.

Das war meine Meinung. Jetzt Deine Vorschläge: Wie möchtest Du Deine Ziele 
erreichen?

> Trunk ist ein Mischmasch, surface ist ungenau, wird nicht
> gerendert und deshalb kaum vergeben, analog zu lanes.

So ist das. Solange es keine coole Anwendung gibt, wird auch nicht getaggt.

> Dass man einen ähnlichen Ausbau einmal als unclassified,
> surface=unpaved und ein andermal als track grade x
> eintragen soll, abhängig davon, ob man an einem Weiler oder
> im Wald ankommt oder eine Schranke/Schild rumsteht - sorry,
> aber wer blickt da noch durch?

Momentan versuchen wir, mit einem einzigen Tag alles mögliche auszudrücken. 
Künftig wird sich das Mapping sicher verfeinern. Dann wirst Du das auch 
auswerten können. Solange wir aber in Deutschland und anderswo noch viele 
weiße Fleckchen haben, wird das sicher nicht flächendecken der Fall sein. Es 
wird auch in 5 Jahren noch highway=track ohne jegliche Zusatztags geben. Das 
finde ich zwar schade, aber ich kann ja nicht zu jedem dieser Tracks hinfahren 
und nachschauen. Wie würdest Du denn das Problem angehen?

[...]

> Und wer hat die Kenntnisse der Workshopteilnehmer geprüft?

Die Community leistet das. Die gucken sich hinterher das Ergebnis an. Dann 
wird eine Weile 'rumdiskutiert. Wenn aber nicht nur das Ergebnis des 
Workshops, sondern auch der Weg zum Ergebnis ein wenig klar ist, dann werden 
die Mapper entweder denken, "stimmt, an einen solchen Fall hatte ich nicht 
gedacht, ist doch nicht so blöd, wie es aussieht, das Konzept." oder "das ist 
ja totaler Mist, was die sich da ausgedacht haben. Ich mache es anders."

> Nö, ich stelle sie nicht in Frage, aber warum soll ein Projekt
> nicht imstande sein  ein Gremium zu stellen, wenn es
> Workshopteilnehmer stellen kann?

Im verlaufe der Diskussion wurden ja Vorschläge geäußert, wie ein solches 
Gremium zustande kommen könnte. Wir haben plötzlich ein (wie auch immer) 
legitimiertes Gremium, in dem ausschließlich erfahrene Mapper sitzen. Morgen 
soll über das Tagging von Seetonnen entschieden werden. Keiner der Mitglieder 
des Gremiums hat aber jemals in einem Boot gesessen. Wie sollen diese armen 
Teufel denn zu einem tragbaren Ergebnis kommen? Es wäre wie im Bundestag, in 
dem eine Menge Leute über Gesetze urteilen sollen, die sie nicht verstanden 
haben.

> Wenn das eine geht, geht das andere auch und ein Gremium, das
> nicht funktioniert, wurde noch in jedem freien Projekt
> zum Teufel gejagt...

Bei OSM wurde glücklicherweise (zumindest so weit ich weiß) noch niemand zum 
Teufel gejagt. Aber ein Gremium, das Taggingregeln entwirft, die nicht auf 
breite Akzeptanz stoßen, würde wohl eher wenig Beachtung finden und wäre somit 
sinnlos.

Genau hier liegt der Reiz, kein festes Gremium, sondern verschiedene 
"Taggingschulen" zu haben. Der bessere würde gewinnen, weil er mehr 
Aufmerksamkeit auf sich zöge.

Jetzt Du: Wie würdest Du vorgehen?


-- 
Beste Grüße,
Best regards,

ce






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