[Talk-de] Von Wikipedia lernen

Tobias Knerr osm at tobias-knerr.de
So Apr 25 17:26:30 UTC 2010


Matthias Versen schrieb:
> Dadurch ist der Anspruch an die Qualität extrem gestiegen und die 
> Bedingungen eines guten Artikels werden zwangsweise durch Regeln definiert.
> Das sorgt einerseits für eine gewisse Qualität aber andererseits auch 
> dafür, das es Einsteigern viel schwerer gemacht wird neue Inhalte zu 
> erstellen.

Die hohen Einstiegshürden sind ein Faktor, den ich bei Wikipedia auch
sehe. Das hat zwei Komponenten: Es ist schwerer geworden, bestehende
Artikel zu verbessern, und es ist schwerer geworden, neue anzufangen.

1. Bestehende Artikel sind schwer zu verbessern:

Das liegt natürlich zuvorderst an der bereits hohen Qualität vieler
Artikel. Daneben spielt aber auch die technische Komplexität eine Rolle:
Templates, (sortierbare) Tabellen, Mediendateien mit ihren Parametern,
Einzelnachweise - das ist alles nicht so einfach handhabbar. Wenn man
dann noch bedenkt, dass sich die Wikipedia-Bearbeitungstools seit Jahren
nicht wesentlich weiterentwickelt haben, sollten die Probleme von
Einsteigern nicht verwundern.

2. Neue Artikel sind schwerer zu erstellen:

Wikipedianer führen hier öfters an, dass eben die meisten "einfachen"
Themen schon abgedeckt sind. Das ist völlig korrekt und wird in gewisser
Weise auch bei OSM passieren, wenn es immer weniger weiße Flecken gibt.
Ein Teil des Problems ist aber auch auch hier hausgemacht, da viele noch
unbehandelte Themen als "irrelevant" deklariert und damit für die
Erstellung neuer Artikel ausgeschlossen worden sind. (Dass es besonders
frustrierend ist, von dieser Einschränkung erst nach der Arbeit mit dem
Artikel zu erfahren, sollte niemanden wundern.)

Manche Aspekte der Entwicklung von Wikipedia sind meiner Ansicht nach
also unvermeidliche Folgen von Wachstum und Qualitätssteigerung. Aber
man könnte versuchen, den Effekt zumindest abzuschwächen durch

* kontinuierliche Weiterentwicklung der Werkzeuge
* durchschaubare technische und soziale Strukturen
* größtmögliche Freiheit der Nutzer bei der Entscheidung, was sie zu OSM
beitragen wollen

> Relevanskriterien gibt es auch bei OSM und die sind auch notwendig.

Hier bin ich deutlich anderer Meinung. Wir brauchen keine
(formalisierten) Relevanzhürden, und sollten einiges daran setzen, dass
wir keine bekommen.

> Sollen in OSM auch Flugrouten, Gullideckel, Grashalme, Bahnschwellen, 
> unterirdische Leitungen und ganz übertrieben einzelne Atome gemappt werden ?

Das ist für sich genommen nicht die richtige Frage, wenn es um die
Notwendigkeit von Relevanzhürden geht. Entscheidend ist vielmehr:
Besteht die Gefahr, dass durch das Eintragen von "irrelevanten"
Informationen die "relevanten" Bereiche von OSM beeinträchtigt werden?

Denn: Ich will keine Grashalme und auch keine Atome. Aber da das niemand
ernsthaft eintragen will, besteht hier auch keine Gefahr für wichtigere
Daten - und keine Notwendigkeit für Relevanzhürden.

Und: Wenn jemand Flugrouten einträgt, die aber außer den Benutzern des
Flugroutenlayers nie ein Laie zu Gesicht bekommt - dann ist das
ebenfalls keine Gefahr für die Qualität z.B. des Autobahnnetzes.

Bei anderen Beispielen ist das natürlich nicht immer offensichtlich. Da
wir (anders als die Wikipedia) einen Filtervorgang zwischen Datenbank
und Anwendungen haben, kann die Problematik aber von vornherein
höchstens die Handhabbarkeit beim Bearbeiten betreffen.

Im Moment jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass von Hand erfasste
Geodaten zu existierenden, aber "irrelevanten" Objekten die Qualität der
sonstigen Daten in OSM jemals großflächig beeinträchtigen und damit
Relevanzhürden notwendig machen werden.

Tobias Knerr




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