[Talk-de] Bahnstrecke vs. Gleis
Wolfgang
wolfgang at ivkasogis.de
Sa Mai 28 11:39:59 UTC 2011
Hallo,
Am Samstag 28 Mai 2011 10:00:28 schrieb Peter Wendorff:
> Dass in Deutschland Autobahnen lange Zeit und oft mit beiden Fahrbahnen
> auf gleicher Ebene, meist sogar auf der selben Trasse gebaut worden
> sind, ist erstmal fast ein Sonderfall.
> Oft kommt das AFAIK daher, dass es so möglich wird, Abschnitte der
> Autobahn schnell zu planieren und als Start-/Landebahn einsetzen zu können.
>
> Die Beispiele in den Bergen sind auch in DE Gegenbeispiele, in anderen
> Ländern ist das teilweise noch viel seltener so (ohne dass ich jetzt
> konkrete Beispiele nennen könnte).
>
Das ist genau wie das Argument mit der Bombe ein schwer auszurottendes
Gerücht. Es gibt einzelne Autobahnabschnitte, die tatsächlich als
Behelfsflugplätze eingerichtet sind, z.B. auf der A7 in Schleswig-Holstein.
Dazu gibt es auch etwas in Wikipedia.
Im allgemeinen ist es aber ganz schlicht in jeder Beziehung einfacher und
billiger, eine breitere Trasse zu bauen als 2 Schmale. Die Planungskosten sind
niedriger, es reicht eine Achse und eine Gradiente, pro Station ein
Querprofil, es sind weniger Anrainer betroffen, es ist in der Bauausführung
einfacher und billiger, im Betrieb ist es einfacher, den Verkehr ggf.
umzuleiten, etc. . Die Fahrbahnen werden eigentlich nur getrennt, wenn sonst
unverhältnismäßig große Massen bewegt werden müssten, insbesondere in bergigem
Gebiet.
Auf der A7 gibt es in der Nähe von Soltau eine Stelle, wo sich die Fahrbahnen
trennen. Die Autobahn wurde in den 50er Jahren gebaut (AFAIK). Damals wurde
noch mit Lorenbahn und Schaufel gearbeitet. Da spielte es dann schon eine
Rolle, wenn ein relativ niedriger Hügel auf 2 Trassen umgangen wurde und damit
weniger Erdbewegung erforderlich wurde.
Eine einfache Rechnung: Eine Autobahn soll auf einem Niveau-Unterschied zum
umliegenden Gelände von 2m gebaut werden.
Der Platzbedarf für 2 Fahrspuren und Standstreifen ist immer derselbe.
Hinzu kommt pro Trasse 2x Bankett (ca 1,50m), 2x Entwässerungsgraben (ca
1,50m), 2x Böschung (1:2 bei 2m -> 4m)
Eine gemeinsame Trasse braucht hier zusätzlich zur Fahrbahn ca. 14m. 2 Trassen
brauchen ca. 28m. Dazu kommt die eigentliche Nutzbreite mit ca. 11m pro
Richtungsfahrbahn. Das heißt, bei einer Nutzbreite von 22m werden zusätzliche
Breiten von 14/28m benötigt. Anders ausgedrückt, 22 +14 = 36 gegen 50 m. Das
entpricht ca 40% mehr Massenbewegung = Baukosten. Hinzu kommen die Mehrkosten
für Planung, rechtliche Durchsetzung, Anwohnerentschädigung etc. Außerdem ist
es für einen Bauausführenden eine andere Kalkulation, wenn er 2 einzelne
schmale Baustellen hat statt einer breiten. Auch da entstehen Mehrkosten, z.B.
durch Machinentransport. (Bitte jetzt keine Erbsen zählen, ich habe die
Breiten so geschätzt, ohne Standardquerschnitte heranzuziehen).
Bei einem größeren Niveauunterschied sind diese Mehrkosten noch beträchtlich
höher.
In anderen Ländern ist es häufig so, dass bisherige Straßen zur Autobahn
ausgebaut werden. Ein solchen Beispiel kenne ich aus Spanien, wo einfach neben
die bestehende Landstraße eine zweite Spur gebaut wurde. Da kommt es dann
schon vor, dass neben der Landstraße liegende Hindernisse von der neuen Spur
einfach umgangen werden.
Besonders deutlich ist das auf dieser Karte zu sehen:
<http://www.openstreetmap.org/?lat=38.38311&lon=-3.50458&zoom=15&layers=M>
Am Pass "Despañaperros" wurde einfach die Süd-Nord-Fahrbahn neu gebaut,
während die Nord-Süd-Richtung auf der unveränderten Passstraße liegt,
einschließlich Serpentinen und Parkplätzen auf der für den Verkehr jetzt
linken Seite. Als ich die Straße befahren habe, waren sogar die
Fahrbahnmarkierungen noch die Alten. Möglicherweise wurden die Parkplätze
inzwischen umgebaut.
Im Gegensatz dazu werden in Deutschland Autobahnen überwiegend auf einer neuen
Trasse gebaut, wo die Baukosten entscheidend sind, s. o. . Es gibt allerdings
Ausnahmen, wie z.B. die A21.
Gruß, Wolfgang
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