[Talk-de] Creative Commons zur ODbL
Frederik Ramm
frederik at remote.org
So Mär 22 20:40:23 UTC 2009
Hallo,
Detlef Reichl wrote:
> Und da frage ich dann mal wieder, was dagegen spricht, das jemand der
> unsere Daten verarbeitet auch dazu "gezwungen" werden soll das Ergebniss
> auch wieder frei zu geben - die könnte ja unter "als kompatibel"
> bezeichneten Lizenzen erfolgen?
Grundsaetzlich gilt zunaechst einmal, dass (im Sinne des Projektziels
"freie Weltkarte" bzw. fuer Tobias "freie Weltkartendatensammlung")
nicht unbedingt ueberhaupt etwas *dafuer* spricht. OSM ist nicht fuer
eine "freiere Welt", nur fuer eine freie Weltkarte. Wer verlangt, dass
alle irgendwie mit OSM zusammenhaengenden Werke unter eine freie Lizenz
gehoeren, der muesste begruenden, warum dies seiner Ansicht nach dem
Projektziel foerderlich ist.
Ich sehe als den wichtigsten Grund *gegen* eine Freigabepflicht von
Produkten den, dass eine solche Freigabepflicht sehr viele durchaus
gewuenschte Nutzungen einschraenkt.
> Irgendwie scheint mir die ODbL nur daran
> ausgerichtet zu sein, Firmen die kommerzielle Nutzung der OSM Daten
> möglich machen zu sollen, ohne das diese etwas dafür zurück geben
> müssen.
Die ODbL unterscheidet zwischen "Produkten" und "abgeleiteten
Datenbanken". Ein "Produkt" ist, vereinfacht gesagt, so etwas wie ein
Kompilat; ein Zurueck zum "Quelltext" ist aus einem Produkt nicht mehr
moeglich.
Die ODbL sieht vor, dass Produkte nahezu beliebig lizensiert werden
koennen, abgeleitete Datenbanken aber frei bleiben muessen. (Auch, und
hier geht sie ueber die CC-BY-SA hinaus, solche abgeleiteten
Datenbanken, die man "im stillen Kaemmerlein" als Vorstufe zu einem
Produkt produziert und eigentlich niemandem zeigen wollte.)
Es trifft zu, dass es eine gewisse Nutzungsart gibt, bei der jemand
Produkte herstellt und "nichts dafuer zurueckgeben muss". Zum Beispiel,
wenn jemand ganz primitiv unsere Daten nimmt, in den Mapnik reinwirft,
eine Druckvorlage damit erzeugt und das ganze druckt und verkauft. Das
darf er dann als "all rights reserved" machen, er muss nichts
zurueckgeben. Aber mal ganz ehrlich: Was *hat* der denn auch, was er
zurueckgeben koennte? Welches Interesse hat OSM daran, dass dieser
Primitiv-Atlas, den sich jeder auf Knopfdruck selbst erzeugen kann,
kopierbar ist?
Betrachten wir nun jemanden, der nicht einfach so einen Atlas
automatisch herstellt, sondern jemanden, der mit viel Arbeit im
"Illustrator" oder so eine Karte von Hand anfertigt. Auch der darf das
Ergebnis seiner Arbeit unter "all rights reserved" publizieren. Aber
auch hier gilt: Es bringt das Projekt nicht weiter, diese Person zur
Freigabe ihrer Arbeit zu zwingen. (Ich persoenlich bin darueber hinaus
der Ansicht, dass eine solche Forderung, selbst wenn sie juristisch
machbar waere, moralisch u.U. voellig ueberzogen ist.) Dies wuerde dazu
fuehren, dass die "Handarbeitskarte" entweder ueberhaupt nicht entstehen
wuerde oder auf Basis von proprietaerem Material; eine Lizenz, die diese
Forderung aufstellt, wuerde also die Verbreitung des proprietaeren
Kartenmaterials foerdern.
Die Daten bleiben in jedem Fall frei; wenn unser Hand-Illustrator bloss
ein paar primitive Aenderungen macht und seine Karte dann fuer 100 Euro
verkauft, wird jeder sagen: Mach ich doch lieber selber auf Basis von
OSM. Wenn er hingegen so gute Arbeit macht, dass die Leute sagen: Seine
Version ist mir echt 100 Euro mehr wert als das, was OSM zu bieten hat -
dann stehen ihm die 100 Euro ruhig zu.
Wie viele andere Kritiker auch redest Du von "kommerzieller Nutzung"
durch "Firmen" und zeichnest damit ein sehr einseitiges Feindbild. ("Von
denen lasse ich mich nicht zum kostenlosen Datensammler degradieren.")
Dieses Feinbild fuehrt leider oft dazu, dass man eine ganze Menge
wuenschenswerter Nutzungen gleich mit absaegt. Im Share-Alike-Fall
trifft das zum Beispiel ueberall da zu, wo jeaman - ganz ohne
kommerzielle Absichten - Daten von geringerer Freiheit mit unseren Daten
zu einem gemeinsamen Werk kombinieren will. Oftmals ist die geringere
Freiheit der anderen Daten fuer das Projekt an sich nicht stoerend. Es
koennte sich zum Beispiel handeln um:
* Einen Datensatz, der nur zu akademischen Zwecken nutzbar ist;
* einen Datensatz, der nur nichtgewerblich eingesetzt werden darf;
* einen Datensatz, der explizit nur fuer die Nutzung im Rahmen eines
ganz bestimmten Projekts freigegeben wurde;
* einen Datensatz, der an ein bestimmtes Medium gebunden ist
* einen Datensatz, der unter einer anderen Share-Alike-Lizenz steht,
* ...
Dies sind alles Faelle, in denen unsere heutige CC-BY-SA es unmoeglich
macht, dass jemand ein gemischtes Produkt aus unseren Daten und diesem
anderen Datensatz herstellt. Das ist eine bedauerliche Einschraenkung
der Nutzbarkeit von OSM-Daten, voellig ungeachtet jeder gewerblichen
Nutzung. Das Absurde ist, dass es bei vielen solcher Projekte *gerade*
im non-profit-Bereich vermutlich relativ einfach ist, an proprietaere
Daten heranzukommen (ich habe schon mit Studenten gesprochen, denen
TeleAtlas Daten fuer ein Uni-Projekt gegeben hat, und fuer die OSM aus
Lizenzgruenden ungeeignet war). Ist das etwa das, was wir eine "freie
Weltkarte" nennen - "Ihr koennt unsere Daten zum Spielen nehmen, aber
wenn ihr was veroeffentlichen wollt, muesst ihr bei den Profis fragen"?
Meiner Ansicht nach gibt es ausser der weitgehenden Freigabe von
Produkten keinen Weg, um diese Inkompatibilitaeten zu beseitigen.
Und wie gesagt, ich halte Produkte fuer kein so zentrales Element
unserer Arbeit; wir verlieren nichts, wenn wir den Leuten erlauben,
Produkte beliebig zu lizensieren, solange wir weiter die Freiheit der
abgeleiteten Datenbanken fordern.
Bye
Frederik
--
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