[Talk-de] 1 Jahr Lähmung von OSM durch Lizenzwechsel?

Frederik Ramm frederik at remote.org
Mo Aug 23 23:31:00 UTC 2010


Hallo,

Tirkon wrote:
> Ich war schon einige Male versucht, den voraussichtlichen
> Umstellungstermin der OSM Lizenz anzufragen. Nun hat Frederik in einem
> anderen Thread den Zeitpunkt auf Frühjahr/Sommer 2011 geschätzt. Das
> kann also bis zu einem Jahr sein. Ich war bisher davon ausgegangen,
> dass wir uns in der Schlussphase befinden und in den nächsten Wochen
> die Sache gegessen sei.

Wir sind ja nun erst in der Phase mit der freiwilligen Zustimmung. 
Naechster Schritt ist, alle Mapper anzumailen und um Zustimmung zu bitten.

Dann kommt die Phase, in der nicht-zugestimmt-Habende nicht mehr 
editieren koennen und in der konsolidiert werden muss - wo sind die 
Luecken, wo muessen wir Mapper suchen und persoenlich einladen, wo 
muessen wir mit Datenimporteuren Spezialvereinbarungen schliessen, was 
auch immer. Das wird sich ganz bestimmt in den Winter reinziehen, dann 
kommt auch schon Weihnachten und alle fallen in Winterschlaf.

Ich hoffe, dass waehrend dieser Zeit (und noch vor der Umstellung, also 
waehrend noch alle Daten drin sind), schon vorauseilende 
Reparaturmassnahmen gemacht werden koennen ("wir wissen, dass X nicht 
zustimmt, also mappen wir schonmal den Ortsteil neu").

Die OSM-Techniker muessen unterdessen die Entfernung 
nicht-relizensierter Daten vorbereiten, und auch da gibt es lauter 
kleine knifflige Baustellen (Stichwort die ganzen komplizierten Faelle, 
in denen ein Objekt nur partiell relizensiert wird).

Es gibt zwar viele, die hoffen, dass es schneller geht - und es koennte 
durchaus sein, dass die OSMF irgendwann einfach die Geduld verliert und 
sagt "lieber jetzt einen Strich ziehen, Server umstellen, alle Objekte, 
die irgendwie mit was nicht-relizensiertem in Beruehrung gekommen sind, 
rauswerfen, und spaeter koennen wir die immer noch peu-a-peu wieder 
reinnehmen" oder so.

Aber ich rechne nicht damit, dass es so schnell geht. Es gibt auch Leute 
bei der OSMF, die sagen, vielleicht sollte man jetzt erst recht langsam 
machen, innehalten, mehr Ueberzeugungsarbeit leisten (denn der meiste 
Widerstand kommt von schlecht Informierten).

> Nach meinem Eindruck lohnt es sich für das nächste Jahr kaum noch
> * zu mappen
> * neue Mapper zu werben
> * für die Nutzung der OSM-Daten zu werben
> * Maßnahmen zu ergreifen, welche die Verbesserung und
> Daten-Vervollständigung von OSM fördern
> 
> Im Gegenteil kann nach nach meinem Eindruck Usern nur davor warnen,
> bis zu Lizenzwechsel weiter zu mappen, wenn Sie dann nicht die große
> Enttäuschung erleben wollen.

Das ist ja fast schon wie die "ich mach beim Lizenzwechsel nicht mit, 
weil da Daten verloren gehen koennten"-Haltung ;)

> In OSM wurden zunächst die Autobahnen, Hauptstraßen und dann die
> wichtigsten Durchfahrtsstraßen gemappt. Diese Edits liegen zudem am
> weitesten zurück. Die Chance darauf, dass gerade diese Straßen aus OSM
> verschwinden, ist erheblich größer, als bei Nebenstraßen, die erst
> später gemappt wurden. Die Gefahr, dass OSM durch den Lizenzwechsel
> sein Grundgerüst verliert, ist groß.

Also, wenn Du mir hier in Karlsruhe die 20 groessten Strassen einfach so 
rausloeschst und alle Nebenstrassen drinlaesst, dann kann ich die 
grossen Strassen *aus dem Kopf* wieder einzeichnen, ohne einen Schritt 
vor die Tuer zu setzen ;)

> Ferner teilen sich die
> Nebenstraßen den Punkt, an dem sie auf eine Durchgangsstraße treffen.
> Fällt die Durchgangsstraße weg, dann fehlt womöglich ausgerechnet der
> wichtigste, nämlich der Kreuzungspunkt.

Das ist jetzt eine voreilige Spekulation ueber die Art und Weise, wie 
solche Daten geloescht werden werden. Hierzu gibt es bislang keine 
konkreten Aussagen/Plaene. Ich persoenlich gehe davon aus: Wenn jemand 
eine Nebenstrasse gemappt und sie mit der Durchgangsstrasse verbunden 
hat, dann kann der Kreuzungsnode auch stehenbleiben (denn wie haette der 
denn die Strasse sonst eingezeichnet, wenn er nicht eine Originalquelle 
fuer den Kreuzungspunkt gehabt haette).

> Die Gefahr, dass man am Ende ein Straßennetz behält, das vollkommen in
> der Luft hängt und damit den Namen "Netz" eigentlich nicht mehr
> verdient, ist groß.

Aber ist es nicht besser, *jetzt* Mapper zu werben, die dann spaeter 
helfen, solche Probleme zu beheben, anstatt *spaeter* Mapper zu werben 
und zu bitten, beim Reparieren zu helfen?

> Aber wie kann ich es verantworten, irgendjemand zum Mappen zu
> animieren, wenn ich jetzt schon weiß, dass er möglicherweise für den
> Hosenboden mappt, weil er auf löschgefährdetem Material aufsetzt. Wie
> kann ich es verantworten, jemand zur Nutzung von OSM zu bewegen, wenn
> die Karte in einem Jahr möglicherweise den Namen "Netz" nicht mehr
> verdient.

Ich wuerde das nicht so verzweifelt sehen. Wir kriegen das in 
Nullkommanix wieder hin, da bin ich ueberzeugt. (Was "loeschgefaehrdet" 
ist und was nicht, werden wir hoffentlich bald auch in Form von 
eingefaerbten Karten sehen koennen...)

> Vor diesem Hintergrund ist es mir absolut unverständlich, dass die
> Befragung der User zum Lizenzwechsel nicht schon längst durchgeführt
> wurde. Ferner verstehe ich nicht, wieso das Ganze noch fast ein Jahr
> andauern soll. Diejenigen User, die von der Lizenz-Diskussion nichts
> mitbekommen, werden aus allen Wolken fallen. Viele werden es später so
> auffassen: Man läßt sie jetzt schon seit mehreren Monaten und noch für
> ein weiteres Jahr ins offene Messer laufen. Man lässt sie mappen,
> obwohl man jetzt schon weiß, dass Vieles dieser Arbeit für den
> Hosenboden ist.

Alles, was ein Mapper neu eintraegt, ist auch sicher. Das ist doch 
schonmal eine gute Aussage, oder? Ich teile Deinen Pessimismus nicht. 
Klar wird es Schaeden geben, aber in ein paar Wochen ist alles wieder in 
Ordnung. "Ins Messer laufen lassen", "Fuer den Hosenboden", 
"verschaukelt" - Schwarzmalerei!

> Angesichts dieser Tatsache werden viele engagierte und auch mühsam
> geworbene Mapper das Handtuch werfen. 

Also ich muss eher sagen, dass ich im Angesicht der Art von Widerstand, 
wie wir sie derzeit sehen, eher noch *staerker* motiviert bin, den 
Neinsagern zu zeigen, dass wir auch ohne sie weiterkommen. Aber das 
kommt vielleicht, weil ich mich in der Diskussion so engagiere; andere 
moegen da eher "egal" sagen.

> Es gibt derzeit auch keine Möglichkeit, vorzubeugen. So kann ich nicht
> * sicherheitshalber das ganze Netz inklusive der jetzt schon
> vorhandenen Straßen neu mappen. 
> * die Daten eines anderen Users löschen und neu anlegen. 

Ja, unter diesem Aspekt ist es etwas doof, das wir keinen "ich lehne 
hiermit die ODbL verbindlich ab und akzeptiere, dass meine Daten sofort 
von anderen Mappern neu gemappt werden und werde mich spaeter nicht 
deswegen beschweren"-Button haben ;) Es ist halt davon auszugehen, dass 
viele, die erstmal laut Nein schreien, am Ende doch mehr am Projekt 
haengen als an ihrer Ideologie und dann eben doch weitermachen wollen - 
und sauer sind, wenn sie sehen, dass Du schonmal alles neu gemacht hast.

> Ich denke, dem OSM Board kommt hier als "verwaltendes Organ",
> als das es sich nun auch offiziell postuliert hat, die Aufgabe zu,
> schnellstmöglich Konzepte zu entwickeln, die der oben beschriebenen
> Entwicklung entgegensteuern und die Mapper nicht länger ins Messer
> laufen zu lassen. 

Das Problem ist, dass im OSMF-Board auch niemand diesen Krempel mal eben 
  programmieren kann. Die koennen beschliessen was sie wollen, 
programmiert werden muss es von Hobbyisten in ihrer Freizeit. Und das 
ist auch einer der Gruende, warum es langsam geht. Einige von denen, die 
es koennten, sind mittlerweile etwas demotiviert von den staendigen 
Anfeindungen - die waren angetreten im Geiste "wir machen was gutes fuer 
OSM, bringen die Sache voran", und nun werden sie wahlweise als Luegner, 
Betrueger, Geldgeier oder machtgeile Manipulatoren hingestellt. Da 
ueberlegt man sich natuerlich zweimal, ob man nicht lieber mappen geht.

Bye
Frederik

-- 
Frederik Ramm  ##  eMail frederik at remote.org  ##  N49°00'09" E008°23'33"




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