[Talk-de] Verfahren bei place wenn node und area vorhanden ist. WAR Re: Wohngebiete landuse=residential und ihr Bezug zu Straßen, einheitliche Erfassung (war Re: wieder mal - Flächen und Wege)

Frederik Ramm frederik at remote.org
So Sep 11 00:40:25 UTC 2011


Hallo,

On 09/11/2011 01:27 AM, Christian Müller wrote:
>> Das waere auch zu kompliziert fuer OSM. Das sind Feinheiten, die dem
>> Durchschnittsmapper nicht vermittelbar sind. Dass einer Boundary
>> verwenden soll, wenn er eine amtliche Grenze kennt, und
>> landuse=residential, wenn er irgendwo steht und das wie ein Wohngebiet
>> aussieht, das kriegt man den Leuten noch ganz gut erklaert.
>
> Das sehe ich anders. Deine Einschätzung des 'Durchschnittsmappers' in
> allen Ehren, aber nicht jeden Mapper interessiert das gleiche

Die, die sich fuer mehr interessieren, koennen ja auch mehr mappen. Sie 
koennen bloss nicht erwarten, dass, die, die sich nicht dafuer 
interessieren, sich an komplizierte Regeln halten.

> Und
> Ausdifferenzierungen in Gewerbe-, Industrie- und gewisse Arten von
> Abbaugebieten (quarry z.B.) gibt es schon _ewig_.

Die funktionieren ja auch ganz gut. Wenn ich was sehe, was wie ein 
Steinbruch aussieht, tagge ich das als landuse=quarry. Das versteht doch 
jeder. Aber schon die Ausdifferenzierung in retail/commercial/industrial 
funktioniert in Deutschland z.B. nicht so gut, weil bei uns ein auf 
Schildern ausgewiesenes "Gewerbegebiet" mal mehr "commercial" und mal 
mehr "industrial"-Charakter hat. Da kann ich Dir aus dem Stand ein paar 
strukturell identische, aber unterschiedlich getaggte Gebiete aufzaehlen 
- ein Zeichen dafuer, dass wir mit dieser Granularitaet die Grenze 
dessen erreicht haben, was wir den Mappern flaechendeckend zumuten koennen.

Klar gibt es Datennutzer, die sich fuer mehr interessieren, und einzelne 
Mapper vielleicht auch, aber in der Flaeche wird das nix - wenn ich mich 
jetzt hinstelle und im Wiki die Definition verfeinere, wird das an der 
Situation in Deutschland nichts aendern.

> Mir geht es nicht darum, von heute auf morgen eine supergenaue Karte zu
> haben. Aber Ziele zu definieren, evtl. zu präzisieren, ist schonmal viel
> Wert. Indem wir diskutieren und formulieren was später angestrebt werden
> kann, vermeiden wir viel doppelte Arbeit. Sonst stochert jeder so in
> seinem "könnte" und "sollte" rum, bis sich Mapper wieder, gerade in
> dicht gemappten Gebieten angreifen, weil jeder ohne viel Kommunikation
> nach seinem eigenen Verständnis mappt.

Meiner Ansicht nach sollte man versuchen, dafuer zu sorgen, dass etwas 
brauchbares herauskommt, wenn jeder ohne viel Kommunikation nach seinem 
eigenen Verstaendnis mappt, anstatt den Versuch zu unternehmen, zu 
verhindern, dass jeder ohne viel Kommunikation nach seinem Verstaendnis 
mappt.

Der Gedanke, dass man einfach nur praezise Regeln aufstellen muesse, und 
dann klappe alles schon, ist Illusion. Das gilt verschaerft dann, wenn 
der Bereich des vor Ort Erfahrbaren verlassen wird, wenn ich also 
beginne, in meine Definitionen Dinge einzubauen, die ein Mensch mit 
normaler Sensorik vor Ort nicht mehr erfassen kann (z.B. Informationen 
aus dem amtlichen Flaechennutzungsplan).

> Es ist nerven- und zeitraubend, wenn Mapper einfach nur durch
> Unklarheiten des Wikis oder des Datenmodells nicht zu einer Lösung
> finden /können/.

Es wird immer Unklarheiten geben. Wir muessen die Leute dazu erziehen, 
in dieser "fuzzy"-Welt zu arbeiten und daraus Nutzen zu ziehen, anstatt 
zu versuchen, Regeln und verlaessliche Modelle zu schaffen, die dafuer 
sorgen, dass es eine "richtige" Art gibt, etwas zu tun, und alle anderen 
Arten sind falsch. Das ist genau das, was ich dem Martin zuweilen 
vorwerfe - der Versuch, das "einzig richtige" festzuschreiben (und in 
Konsequenz natuerlich dann jenen auf die Finger zu klopfen, die es 
"falsch machen").

Der Grund ist, das wir auch mit allen Bots der Welt nicht sicherstellen 
koennen, dass sich jeder an die "Regeln" haelt. Wir duerfen es daher 
nicht so weit kommen lassen, dass wir mit unseren eigenen Daten nur noch 
was anfangen koennen, wenn sich alle an die Regeln halten.

> Diese Unklarheiten und Ungereimtheiten sind ein Fingerzeig auf fehlende
> Struktur im Datenmodell, das nicht anzupacken, würde das Wiki wirklich
> zur /heiligen/ Schrift erklären.

Nein. Es wird immer Struktur fehlen, und die Herstellung dieser Struktur 
waere nicht etwa eine willkommene Verbesserung des Projekts, sondern der 
Anfang vom Ende. Mehr und mehr Struktur in das Projekt hineinzupressen, 
ist nicht der richtige Weg. Damit macht man es sich zu einfach. Am Ende 
kommt der Katzenjammer, weil man sich die schoene Struktur ausgedacht 
hat und niemand sie richtig benutzt.

Jetzt wird bestimmt wieder irgendjemand kommen und meine Saetze so 
interpretieren, dass ich die Leute auffordern will, Fluesse als 
Autobahnen zu taggen oder so. Natuerlich gibt es Regeln, die aber fast 
alle einfach so evolutionaer entstanden sind - erst haben das ein paar 
Leute gemacht, dann haben es ein paar andere gut gefunden oder 
verbessert, und dann haben es irgendwann alle irgendwie aehnlich 
gemacht. Trotzdem singen nicht alle nach dem gleichen Notenheft; bei der 
die Art, wie Autobahnauffahrten modelliert werden, oder 
Fussgaenger-Ueberwege, oder hundert andere Details, traegt durchaus 
regionale Handschrift. Das kann sich im Lauf der Zeit alles langsam 
aufeinander zu bewegen - aber wenn da einer kommt und sagt "das ist ein 
Fingerzeig auf fehlende Struktur, die muessen wir jetzt schaffen, los 
los", wird dadurch bestimmt nichts besser.

> no comment - Du hast Bücher geschrieben, die tausende Mapper vor einen
> Karren gespannt haben dürften..

Naja, in den Buechern hab ich aber beschrieben, was gebraeuchlich ist, 
und nicht, wie ich mir eine bessere Tagging-Welt vorstellen wuerde.

> Willst Du bis nächstes Jahr warten, um das dann wieder
> auf diese Weise flachzuklopfen?

Nein, ich will erreichen, dass dieses simplizistische "wir brauchen nur 
das richtige Taggingschema und alles wird gut" endlich aufhoert.

> Wo bitteschön hast Du superkomplexe
> Taggingschemata entdeckt?

Ich hatte den Eindruck, dass ihr beide in Euren Definitionsvorschlaegen 
bereitwillig auf Begriffsdefinitionen und Informationen zurueckgreift, 
die man vielleicht im Flaechennutzungsplan oder im Kataster oder im 
Grundbuch findet, aber nicht, wenn man mit seinem GPS und seinem 
Notizblock vor Ort steht.

> Martin und ich haben in erster Linie und im Dialog eruiert, /was/
> überhaupt im Bereich Baufläche/Baugebiet abgebildet werden kann, /wo/
> unser Verständnis der verwendeten Begriffe herkommt und /weshalb/ es
> Gründe für Disput überhaupt gibt. Es fing mit der Frage an, ob landuses
> an ways geklebt werden sollten, oder nicht. Die Frage ist beantwortbar,
> insofern klar ist, /was/ wir mit landuses=* überhaupt genau mappen.

Die Antwort auf die Frage, ob Flaechen an Ways geklebt werden sollen, 
ist eine Geschmaeckssache. Das mag zu einem kleinen Teil damit zu tun 
haben, was der einzelne Mapper mit landuse=* fuer eine Bedeutung 
verbindet - u.U. hat auch landuse=forest strukturell eine andere 
Bedeutung, und die Frage muesste, wenn es darauf ankaeme, fuer beide 
unterschiedlich beantwortet werden. Zu einem wesentlich groesseren Teil 
hat es aber mit Technik zu tun (was ist praktischer) und mit der nahezu 
philosophischen Frage, in welcher Weise wir eigentlich die Realitaet 
abbilden wollen - wie abstrakt oder wie konkret. Wir haben ja z.B. auch 
nur 7 Nachkommastellen bei den Koordinaten und koennen Kreise derzeit 
nur mit endlich vielen Liniensegmenten annaehern.

> Ein aufsummiertes Taggingschema als Schlussfolgerung hat bisher keiner
> von uns abgegeben. Wir haben an einigen Stellen festgestellt, wie es
> besser und widerspruchsfreier laufen /könnte/. Es geht zumindest mir
> darum, Dinge der Realität in OSM auseinanderzuhalten, die bisher
> widerspruchsbehaftet gemeinsam abgebildet wurden.

Das ist aber eine Idee, von der man sich an irgendeinem Punkt in einem 
immer detaillierter werdenden Baum verabschieden muss. Da treffen das 
schoen gruendliche ueberlegte logische Kartenhaus und die Praxis der 
Mapper aufeinander, und wenn man die Praxis nicht von vorn herein mit 
einbezieht, dann kann man sich ein noch so differenziertes und 
widerspruchsfreies Modell ueberlegen, das fuehrt maximal dann dazu, dass 
in irgendeinem Qualitaets-Check-Tool alles rot wird.

> Bei diesem Projekt erstellt niemand Komplexität - die steckt in der
> Realität. Durch gute Dokumentation kannst Du die Erfassung ihres Abbilds
> vereinfachen, durch schlechte hingegen erschweren. Meine Meinung.

Ich finde die bisherige Definition von landuse=residential eigentlich 
sehr mapperfreundlich, sie macht die Erfassung dieser Art von Abbild der 
Realitaet relativ leicht. Das groesste Problem damit - anderer Thread - 
ist in meinen Augen, dass landuse=residential in tatsaechlich dicht 
bewohnten Gebieten nur sporadisch eingesetzt wird, dass es also oft ein 
Platzhalter fuer "hier muessen wir mal noch Gebaeude einmalen" zu sein 
scheint.

Ich bin skeptisch, dass eine Diskussion, bei der ueber Flurstuecke und 
Gemarkungen und ueber das "Einarbeiten in die rechtliche Situation" 
geredet wird, etwas hervorbringen kann, dass die Erfassung einfacher 
machen kann, als sie jetzt ist. Ich glaube eher, dass da am Ende was 
rauskommt, wo jeder die Haende ueberm Kopf zusammenschlaegt und sagt: 
Oh, landuse=residential, das ueberlass ich lieber den Profis.

Und das hielte ich fuer kontraproduktiv.

Bye
Frederik

-- 
Frederik Ramm  ##  eMail frederik at remote.org  ##  N49°00'09" E008°23'33"




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